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Der Protest mit dem Warenkorb – Buycotting und Boycotting auf dem Prüfstand

Wer nicht hören will, muss… Zusehen, wie bei der Konkurrenz eingekauft wird? Was zunächst komisch klingt, ist längst bei vielen Konsumenten zur beliebten Protestmethode geworden. Kunden haben nun nicht mehr nur die Option zu boykottieren, sondern auch das Buycotting für sich entdeckt. Im Prinzip wird bei dieser Methode das ethisch vertretbare Verhalten von Unternehmen bestärkt, in dem die unternehmerischen Produkte mehr gekauft werden. Wo also früher eher ein Produkt boykottiert wurde, wird nun die Konkurrenz zusätzlich belohnt – das nächste Level des politischen und ethischen Konsums ist erreicht. Aber was genau hat es mit diesem Trend auf sich und wie wirkt dies auf unternehmerische Entscheidungsmöglichkeiten?

 

Buycotting: Wer hat’s erfunden?

Während die genauen Gründe für die Buy-/Boykottierung unterschiedlicher Natur sein können, ist es unabhängig hiervon den Konsumenten zutiefst wichtig, ihre ethische Haltung durch ihr Kaufverhalten einem Unternehmen zu verdeutlichen. Manchmal können unternehmerische Handlungsentscheidungen, die aus Sicht des Konsumenten negative Effekte auf zum Beispiel die Umwelt oder Menschen aus der produzierenden Region haben, als Beweggrund genannt werden. Aber auch die politischen Entscheidungen eines Landes, welches stark mit in die Markenidentität eines Unternehmens verankert ist, können eine Buy-/Boykottierung auslösen. So kam es vor einiger Zeit auch zu Boykottaufrufen von dänischen Produkten, als das Land mit der Debatte über religiöse Karikaturen weltweit Diskussionen auslöste.

Global bekannt wurden Buy/Boykott Aktionen zur Zeit der Präsidentschaftswahlen in Amerika: Mit der Kampagne „Grab Your Wallet“ riefen Aktivisten zur Boykottierung der Produkte von Ivanka Trump auf, die zum damaligen Zeitpunkt unter anderem durch die Kauf- und Versandhauskette „Nordstrom“ vertrieben wurden. Durch die Boykottierung sank der Absatz und das Unternehmen entschied sich dazu, die Marke aus dem Sortiment zu nehmen.

 

Aufruf im Word Wide Web

Die Zunahme der Buy-/Boykottierung Protesten von Konsumenten liegt vor allem an der vereinfachten Organisation und Verbreitung von Informationen über Unternehmen im Internet. Während offline oftmals nur Zeitungs- und Fernsehberichte Einblicke in die Unternehmensabläufe und –netzwerke bieten können, ist es online heutzutage vereinfacht möglich, sich sowohl vollständig zu informieren als auch sich mit anderen Buy/Boykottierung Interessierten auszutauschen. Darüber hinaus können sich Konsumenten mittels Apps auf ihren Smartphones und Tablets  live beim Einkauf oder von unterwegs über Produkte und Unternehmen informieren. Die App „Buycott“ zum Beispiel ermöglicht dem Konsumenten mithilfe simpler Scan-Technik über die Smartphone-Kamera und der vorigen Festlegung von Kaufkriterien nach ethischen Vorstellungen, eine Übersicht über moralisch vertretbaren Produkten. Sollte das Produkt nun von einem Unternehmen produziert worden sein, welches gegen die ethischen Vorstellungen des Konsumenten verstößt oder aber dieses Unternehmen zu einem Netzwerk aus anderen Organisationen, die den ethischen Kriterien nicht entsprechen, gehören, wird dies dem Konsumenten sofort angezeigt. Die kostenlose App erhält ihre Daten durch das Crowd-Sourcing, also durch die eigenständige Eingabe und Pflege der Kunden von Daten, und kann deswegen nicht vollständig für die  richtige Beschaffenheit der Informationen garantieren. Zudem ist die Produktanzahl, über die Informationen gespeichert wurden, innerhalb Deutschlands im Vergleich zu dem Herkunftsland der App (USA), viel niedriger. Nichtsdestotrotz ermöglicht diese und viele andere ethische Kaufentscheidung-Apps den Konsumenten die gewünschte Transparenz, die sie in Zeiten von wachsenden undurchsichtigen Netzwerken von Unternehmen, offensichtlich wünschen.

 

Genauer hingeschaut

Obwohl der Trend der Buy/Boykottierung in Deutschland nicht so stark verbreitet ist wie in anderen Ländern wie USA und Großbritannien, sind bereits viele Konsumenten dazu bereit, ethischen und politischen Konsum zu betreiben. Die bewusste Entscheidung für ein Produkt, um ein Unternehmen zu unterstützen, ist besonders bei Produkten aus der Lebensmittel- und Kleidungsindustrie vertreten.

Weber Shandwick führte in Zusammenarbeit mit KRC Research eine Studie zum Thema „Battle of the Wallets“ durch. Online wurden jeweils 1000 Teilnehmer aus USA und 1000 aus Großbritannien befragt. Die Ergebnisse der Befragung enthielten weitere aufschlussreiche Erkenntnisse über das politische Konsumverhalten von Kunden, wie zum Beispiel, dass das Buykotting von 85% der Befragten als einflussreiches Protestmittel eingeschätzt wird, während 59%  eher zum Boykott tendieren würden. Doch selbst die Befragten unter den 59% schätzen die Buycotting-Methode schlussendlich als effektiveres Methode ein. Des Weiteren wurde herausgefunden, dass die politische Konsum Aktivisten mehr in den jüngeren Generationen vertreten sind und Buycotters gegenüber Boycotters motivierter sind, ihren Aktivismus fortzuführen.

Eine weitere Studie des Marktforschungsinstituts “Yougov“, in der deutsche Konsumenten zu ihren Konsumverhalten befragt wurden, gaben 67% der Befragten an, bereits eine Marke oder Unternehmen aufgrund eines Skandals boykottiert zu haben. Zudem boykottieren 60% von ihnen die Marke und das Unternehmen bis heute – man sieht hieran deutlich die nachhaltigen Folgen eines Skandals. Ungenau bleibt, wie viele Personen aus dem Bekannten- und Freundeskreis der Boykottierer ebenfalls von diesem Konsumprotest beeinflusst wurden, bedenke man nur die Wirkung von Empfehlungen von vertrauten Personen auf die Kaufentscheidungen von Konsumenten. Ganz verloren muss die Hoffnung für ein Unternehmen, welches in einen ethischen oder politischen Konflikt durch falsche CSR Strategien geraten ist, jedoch nicht: Rund 85% der Befragten würden zu dem Unternehmen als Käufer zurückkehren, wenn dieses glaubwürdig kritisierte Praktiken oder Produkte ändern oder verbessern.

 

Der Blick in die Zukunft

Die bisherigen Beobachtungen und Studien weisen alle darauf hin, dass das politische und ethische Konsumverhalten von Kunden weiter zunehmen wird. Die Tendenz, eher mit einem Buycott als mit einem Boycott Unternehmen und Organisationen beeinflussen zu wollen, ist aus allen Untersuchungen schnell erkennbar. Dies bedeutet im Umkehrschluss für Unternehmen, das Strategien für verbessertes ethisches Handeln von Konsumenten durch gesteigerte Kaufkraft in Zukunft mehr belohnt werden wird – eine win-win Situation auf beiden Seiten. Zusätzlich gilt das Internet als am meist genutzte Informationsquelle zur Organisation zum Protest. Besonders soziale Netzwerke bieten den Konsumenten eine Plattform zum Informationsaustausch und zum Aufruf zum Buycott.  Hier müssen Unternehmen aktiv werden und ihre CSR Aktivitäten den Konsumenten transparent und verständlich präsentieren. Darüber hinaus gilt es, den Austausch genau zu beobachten, um ein Verständnis für die Sorgen und Bedenken der Konsumenten in Bezug auf ein ethisch vertretbares Verhalten auf dem Markt besser nachvollziehen zu wollen.

 

Bild Credits: MichaelGaida, under Creative Commons Zero Licence, via pixabay.com