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Walt Disney präsentiert: Factorized Variational Autoencoding

Sich in den großen und dunklen Weiten eines Kinosaals unbeobachtet fühlen, war einmal. Das California Institute of Technology (Caltech) und das Disney Research Team, eine Tochter des Mega-Konzerns Walt Disney, arbeiten an einem Gesichtserkennungssystem für Kinos. Die Anwendung trägt den Namen Factorized Variational Autoencoding (kurz: FVAE) und könnte sich zu einem der wichtigsten Erfolgsfaktoren für Disney entwickeln.

Das Multi-Millionen-Dollar-Geschäft

Der Schritt scheint in erster Linie nicht abwegig. Immerhin handelt es sich bei der Filmindustrie um ein Multimillionen-Geschäft. Anstatt zu raten, was der Zielgruppe gefallen könnte, Befragungen und aufwendige Marktforschungsarbeiten durchzuführen, kann man nun die Reaktion wortwörtlich vom Gesicht ablesen. Und sogar noch mehr: Den Forschern zufolge soll das System so ausgeklügelt sein, dass es, nachdem es den Zuschauer ein wenig beobachtet und die Gesichtszüge analysiert hat, voraussagen kann, wie dieser sich für den Rest des Films verhalten wird (via bento).

Wenn Reaktionen über Geschichten entscheiden

Dieses Vorgehen könnte ein riesiger Schritt in der Forschung sein und maßgeblich dazu beitragen, was wir in Zukunft zu Gesicht bekommen. Alternative Enden könnten damit aussterben. Das Testpublikum findet eine Stelle doch nicht witzig, dann wird sie rausgeschnitten, an anderer Stelle wird geweint und die Szene bekommt im Film einen stärkeren Fokus. In einer Pressemitteilung informiert das Team von Disney Research über das neue System und die bahnbrechende Technologie dahinter.

Sollte sich die neue Gesichtserkennung tatsächlich durchsetzen, könnten Filmemacher in Zukunft ihr Angebot maßgeschneidert auf ihre Zielgruppe anpassen. Damit könnten enttäuschende Kinobesuche schon bald der Vergangenheit angehören. Allerdings kann das auch für die Individualität gelten. Doch bevor das alles geschehen kann, müsste erst einmal ein Weg gefunden werden, die extrem große Anzahl an Daten schnell und einfach auszuwerten. Da das bei Millionen von Datensätzen nicht manuell funktioniert, werden Alternativen benötigt. Denn nicht jede Produktionsfirma hat ein Unternehmen wie Walt Disney hinter sich stehen.

Die Frage nach Individualität

Überraschende Erlebnisse, ein Ende, dass die Zuschauer eben nicht zufriedenstellt oder Szenen, die zwar keine besonderen Reaktionen hervorrufen, aber den Film abrunden – das sind doch die Dinge, die den Kinobesuch zu dem machen, was er ist. Nach diesem Maßstab werden Regisseure und Schauspieler für ihre Arbeiten auserkoren. Sterben mit dem Gesichtserkennungssystem also auch die magischen Momente, die Filme schaffen? Nein, denn nur weil die Reaktionen der Zuschauer ausgewertet werden, heißt das noch lange nicht, dass alle Filme in Zukunft nach dem gleichen Schema F produziert werden. Zumindest nicht mehr als jetzt auch schon.

Die Mimikforschung ist ein sehr komplexes Thema. Es gibt 26 Muskeln im Gesicht, die für die Mimik verantwortlich sind. Dazu kommen noch kulturelle Unterschiede, wie Mimik und Gestik in verschiedenen Kreisen verstanden werden können. Allein in der Testphase mit 3.100 Zuschauern, sammelte Disney mehr als 16 Millionen Datensätze. Ausgewertet wurden u.a. Klassiker wie das Dschungelbuch, Fluch der Karibik und Star Wars. Insgesamt wurde das Verhalten bei 150 Vorführungen ausgewertet.

Auch Deutschland macht mit

Hierzulande werden die Potenziale von Gesichtserkennungssoftware ebenfalls immer allgegenwärtiger – selbst wenn diese noch nicht so weit fortgeschritten sind, wie die Factorized Variational Autoencoding (FVAE) Anwendung von Disney. Erst kürzlich startete die Handelskette Real einen Testlauf mit Kameras an den Kassen, um die Zielgruppe genauer definieren zu können und Werbung genauer ausspielen zu können (via WIRED). Zudem ist u.a. in Berlin die Nutzung von Kameras in öffentlichen Bereich massiv angestiegen. Bei all den Analysen und Auswertungen bleibt nur noch die Frage offen, wie weit wir wirklich noch vom gläsernen Menschen entfernt sind…

Bild Credits: von Skitterphoto, under Creative Commons Zero Licence, via pexels.com