Wie oft sehen wir inzwischen die sogenannten Smartphone-Zombies, die entweder die Gehwege blockieren, im Weg stehen oder kurz vor knapp dem Tod entgehen, weil sie mitten auf der Straße die Nachricht bekommen haben, auf die sie bereits 10 Minuten warteten?
Nomophobie (No-Mobile-Phone-Phobia), also die Angst nicht erreichbar zu sein, Internet Addiction Disorder (zu deutsch Internetsucht) oder FOMO (Fear Of Missing Out) sind nur drei Beispiele für Abhängigkeiten und Erkrankungen, mit denen sich unsere Gesellschaft heutzutage auseinandersetzen muss. Forscher sagen sogar, dass es gar nicht so schlimm ist, wenn wir Zeit mit unserem Smartphone verbringen. Und in der Tat: 17-23-jährige holen im Durchschnitt bis zu 130 mal ihr Smartphone aus der Tasche. Auf einen normalen Tag hochgerechnet halten sie also alle 7-8 Minuten die kleinen schlauen Rechner in der Hand. Gar nicht so einfach, mal abzuschalten. Da hilft es auch nicht, immer auf lautlos zu stellen. Zu oft erwischt man sich selbst, “einfach so” den Screen zu checken, ob eine neue Nachricht eingetroffen ist oder nicht.
Unter iOS gibt es inzwischen die “Nicht stören”-Funktion. Hier sind Anrufe und Nachrichten komplett stumm gestellt, außer von den Kontakten, die als Favorit gespeichert sind oder die mehrfach anrufen – es könnte ja doch mal wichtig sein. Android hingegen bietet “Offtime”, mit dem sich alle Benachrichtigungen stumm schalten lassen. Hier können auch gezielt einzelne Apps ausgeschaltet werden.
Auch gibt es inzwischen einige Dienstleistungen, um vom digitalen und mobilen Alltag abzuschalten, so etwa das digitale Detox-Camps “Unplug & Recharge” oder antidigitale Wellness-Kuren. In der Nähe von Berlin gibt es sogar Kloster, in denen man nicht nur Handy, Tablet und Co. abgeben muss, sondern gleich ganz auf jegliche Interaktion und Konversation mit anderen verzichtet. Mehr raus geht nicht.
Als ich vor einigen Monaten drei Wochen in der Pampa ohne jeglichen Zugang zur Außenwelt war, hatte ich ein ähnliches Erlebnis. Was anfangs ungewohnt, ja nahezu unangenehm war, empfand ich nach nur wenigen Tagen bereits als komplette Erleichterung. Zu wissen, dass ich nicht online sein KANN, keine Nachrichten empfangen KANN und schließlich auch nicht mehr WOLLTE, war ein Erlebnis, das man sich in der kapitalistischen Welt – umgeben von digitalen und mobilen Endgeräten – kaum vorstellen kann. Ich habe gelernt, dass es okay ist, nicht “verfügbar” zu sein und den Moment, der gezwungenermaßen mehrere Tage anhielt, genossen. Auch heute noch, Monate nach dieser Decompression Time, mache ich wohlwollend mein Smartphone am Wochenende einfach mal aus und bin nicht erreichbar, wenn ich das nicht sein möchte – ohne FOMO, dafür mit JOMO – Joy Of Missing Out.
Dieser Artikel war inspiriert durch WDR Servicezeit.