Julian Lambertin, Head of Strategy & Analytics, sprach als Teil des Weber Shandwick Social Impact Teams mit den weltweit führenden Kommunikationsexperten der Agentur. Der Blick ist auf das Jahr 2018 gerichtet: Welche Herausforderungen und Chancen rund um die Thema Purpose und Data wird das neue Jahr mit sich bringen? Unter Purpose versteht sich im Marketing die Ausrichtung der Kommunikation auf einen gesellschaftlich sinnvollen Zweck, welchen das Unternehmen erfüllt.
Durch neue Tools und Big Data wird die Geschäftswelt permanent revolutioniert. Wie sind aus Deiner Sicht Purpose und Data miteinander verbunden? In was für einem Verhältnis sollten sie zueinander stehen?
Es ist mittlerweile kein großes Geheimnis mehr, dass Unternehmen für die Bewertung ihres Erfolgs nicht nur den finanziellen Gewinn betrachten sollten. Vielmehr müssen sie auf den Mehrwert achten, den Kunden von der Marke erhalten können.
Bisher neigten betroffene Unternehmen dazu, durch die Optimierung von bestehenden Geschäftsmodellen den Gewinn bestmöglich zu erhöhen. Die zunehmende Verwendung von digitalen Tools und dynamischen Datensätzen verändert aber die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Produkte entwickeln und anschließend auf dem Markt anbieten können. Wer nicht versucht, sein eigenes Geschäftsmodell auf den Kopf zu stellen, dem wird es wohlmöglich auf den Kopf gestellt.
Der einzig beständige Faktor in diesem Prozess ist Purpose. Wenn Produkte und ihr Angebot auf dem Markt versagen, kann ein sinnstiftender Zweck eine stabilisierende Funktion haben und als Katalysator für authentische Innovationen des Unternehmens dienen. Anstatt auf das Angebot zu fokussieren, orientiert man sich an dem Problem, das man für Kunden löst. Das läßt frisches Denken zu.
Für Arbeitnehmer bietet der Unternehmens-Purpose zusätzlich eine wichtige Stütze für die Identifikation mit dem Arbeitgeber. In einer Welt, in der Wandel manchmal die einzige Konstante zu sein scheint, symbolisiert Purpose den sicheren Fels in der Brandung.
Zusammengefasst bedeutet dies, dass ein Unternehmen mit einem klaren und nachvollziehbaren Purpose nicht vollständig von seinem Geschäftsmodel abhängig ist. Das Unternehmen ist für die Welt von Morgen gewappnet, weil es weiß, wie dem Kunden ein sicherer Mehrwert geschaffen wird. So kann es der Veränderung von Wertschöpfungsketten besser trotzen. Wer die Bedeutung seiner Produkte und aktuellen Wertschöpfungskette über- dafür aber die Orientierung durch den eigenen Purpose unterschätzt, der wird Veränderungen nur schwer meistern können. Genau das ist aber die größte Gefahr für Unternehmen heutzutage. Ein starker Purpose lockt neue Kunden und Mitarbeiter an und gibt darüber hinaus dem Unternehmen die nötige Flexibilität, um zukünftigen Branchendynamiken bestmöglich zu begegnen.
Durch Social Media und einer „Always-On“-Mentalität wird die Meinung von Kunden immer sichtbarer, sowohl für Unternehmen als auch in der Gesellschaft allgemein. Wie können Purpose getriebene Unternehmen auf diese Entwicklung reagieren?
Marken entstehen heute anders als noch vor ein paar Jahren. Es reicht längst nicht mehr aus, dass Marken über eine Persönlichkeit und Mission verfügen. Sie müssen eigene Überzeugungen und Werte besitzen, welche es ihnen erlauben, sehr schnell eine Meinung zu Themen und Situationen zu formen, mit denen sie eventuell konfrontiert werden könnten.
Unternehmen werden Unterstützung dabei benötigen, ihr Verständnis und die richtige Vermittlung dieser Überzeugungen, ihres Purposes, herauszufinden. Jede Organisation ist ein komplexes Konstrukt und um dessen Kern zu entdecken, benötigt es eine ausführliche Analyse und eine narrative Sichtweise auf die Dinge, um eine starke Geschichte zu finden. Auch der Blick von außen ist essenziell, da Unternehmen oft Scheuklappen tragen, wenn sie sich selbst betrachten.
Fakt ist: Es ist schwieriger denn je, zu verstehen, wie sich öffentliche Meinung bildet, wieso sich Meinungen verändern und weshalb sich der ganze Prozess heutzutage so beschleunigt. Das lässt sich recht einfach beobachten, aber nur schwer ergründen.
Victor Hugo sagte einst, dass nichts stärker ist als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Dieses Zitat zeigt, dass Kontext unheimlich wichtig ist – eine Wahl und Entscheidung von Menschen kann nur vollständig erfasst werden, wenn wir die Lebensumstände und Situation der Person mit einbeziehen.
Das Kommunikationsumfeld wird zunehmend atomisiert und das macht die Artikulation des Unternehmenszwecks oder Purposes immer schwieriger. Führungskräfte müssen Acht auf die sorgfältige Auswahl der geeigneten Data und ihrer Analyse geben – das ist zu gleichen Teilen Kunst und Wissenschaft, will man es richtig machen.
Jede Führungskraft, die erfolgreich die angesprochenen Problematiken meistern möchte, sollte in Zugriff auf Datenquellen und Analysekapazitäten investieren. Das ist der Schlüssel zur Kontextualisierung von politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Ereignissen. Nur mit diesem Verständnis ausgestattet, kann man seine eigene Rolle und Sichtweise sinnvoll kommunizieren.
Lass uns einen Blick auf das letzte Jahr werfen. Gibt es eine Marke, Kampagne oder Mediengeschichte, der aus Deiner Sicht eine klare, glaubwürdige und fesselnde Purpose-Strategie oder Betrachtungsweise zugrunde liegt?
Nehmen wir zum Beispiel Heinekens „World Apart“-Kampagne oder „The Truth is Hard to Find“ von der New York Times, die unter vielen großartigen Kampagnen mit einer Verbindung zum Unternehmens-Purpose zu finden sind. Diese Ideen waren aufgrund von den folgenden drei Aspekten besonders erfolgreich: Sie waren authentisch in ihrer Verbindung zur Marke und Produkt, relevant für die Kunden und erzeugen durch ergreifende Erfahrungen eine langfristige Verankerung in unserem Gedächtnis.
Die wahre Frage ist jedoch: Sind Unternehmen dazu gewillt, ihr Geschäftsmodel ihrem Purpose unter zu ordnen? Was wäre beispielsweise, wenn Journalismus nicht mehr das geeignete Mittel ist, Wahrheiten ans Licht zu bringen? Würde die New York Times ihr Geschäftsmodell verändern? Oder was wäre, wenn Bier seinen Stellenwert als geselliges Getränk unter uns Menschen verliert? Würde Heineken aufhören, Bier zu brauen? Awards in Cannes zu gewinnen, ist außer Frage großartig, aber der Purpose muss tiefer gehen als das.
Marken haben in den letzten Jahren Fortschritt gemacht. Nächstes Jahr müssen sie nun aber auch abliefern. Was sonst passiert, das sieht man etwa an Pepsis „Live for now“-Kampagne. Wenn es Unternehmen nicht gelingen wird, ihren für uns einzigartigen Mehrwert zu präsentieren, werden sie schon bald als austauschbar gelten.
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