Eine bekannte Marke ist wie ein guter Freund – verlässlich, beständig und man weiß, was man bekommt. Für ein Unternehmen sind der Wiedererkennungswert auf dem Markt und die Identifikation mit der Marke von äußerster Bedeutung. Auf der einen Seite garantieren sie eine starke Kundenbindung und auf der anderen eine deutliche Abgrenzung vom Wettbewerb. Doch wie jede Beziehung benötigt auch die zwischen einer Marke und ihrem Kunden manchmal etwas frischen Wind – ein Rebranding. Zu schnell verändert sich das digitale Umfeld und enthüllt neue Herausforderungen, sowohl für die Konsumenten, als auch für die Unternehmen und Agenturen. Aber wie viel Veränderung erträgt die Marken-Kunden-Beziehung und wann ist die Grenze einer Designinnovation überschritten?
Wie alles begann…
Wann genau Unternehmen anfingen, die Bedeutung des visuellen Markenauftritts zu begreifen und mit den Unternehmenswerten und –zielen strategisch vereinen zu wollen, ist nicht genau bekannt. Häufig wird die künstlerische Unterstützung des deutschen Architekten, Malers und Typographen Peter Behrens bei der Entwicklung einer einheitlichen visuellen Markenauftritts des Unternehmens AEG als Startpunkt der Corporate-Design-Geschichte gesetzt. Es folgten, um nur einige wenige zu nennen, Entwicklungen von markentechnischen Optimierungen zur Schaffung einer geschlossenen Markenpräsentation nach Domizlaff, Wolfgang Schmittels beispiellose Ausformung einer Corporate Identity für Braun oder revolutionäre Piktogramme von Aichlers als Meilensteine der Corporate-Design-Geschichte. Von den damalig noch vorsichtigen Auseinandersetzungen mit der künstlerischen Gestaltung einer Marke bis zu heutigen immens hohen Etatausgaben – die Bedeutung von einem authentischen, visuellen Markenauftritt ist heute wichtiger denn je.
In unserer Gegenwart gehören unter anderem Typographie-, Farb- und Soundgestaltung, Bildsprache, der Webauftritt und Logo einer Marke zum Aufgabengebiet eines Corporate Designers. Durch die wachsende Komplexität der Gestaltung eines Markenauftritts nimmt die Arbeit des Kreativen in einer Agentur oder einem Unternehmen von Tag zu Tag zu.
Time for a Change
Ein angebissener Apfel oder die Tagesschau-Melodie – Marken wie Apple oder ARD haben es geschafft. Das Design ihrer Marke hat sich tief in das Unterbewusstsein der Gesellschaft eingegliedert und kann auf Knopfdruck von Kunden und Konsumenten abgerufen werden. Auch Coca Cola kann sich zu dieser Gruppe altbewährter Marken zählen. Der über 100 Jahre alte Schriftzug des Unternehmens und das typische Rot können bereits ab jüngstem Kindesalter von anderen Marken unterschieden werden. Wieso also entschließt sich das Unternehmen 2018 dazu, die altbewährte Schriftart in die neue TCCC Unity zu erneuern?
Der Vice President of Global Design, James Sommerville, beschreibt die neue Typographie als Verschmelzung von altbekannten Coca Cola-Elementen und einem modernen, amerikanischen Twist. In Zusammenarbeit mit der Agentur Brody Associates sollte das neue Schriftdesign demnach eine bessere Widerspiegelung der Markengeschichte herbeiführen. Es bleibt spannend, wie Fans und Kunden diese Veränderung annehmen werden.
Was die Veränderung eines Logos für eine Bedeutung haben kann, zeigte sich letztes Jahr auch in unseren eigenen Reihen: Mit der „drop the comma“-Kampagne veränderte Weber Shandwick seinen Markenauftritt und kam dem eigenen Verständnis einer „engaging always“ Kultur hierdurch gestalterisch noch näher. Zusätzlich zum Verzicht auf ein Satzzeichen veränderte sich auch der visuelle Markenauftritt und die Bildsprache, um eine größere Übereinstimmung zwischen Repräsentation nach außen und der tatsächlichen Agenturarbeit zu bewirken.
Auch Lufthansas Markenauftritt unterzieht sich einem Makeover in diesem Jahr: Das über dreißig Jahre alte Design der Airline soll sich mit Vorsicht in Bezug auf die Gestaltung der Flugzeuge und der Kabinen verändern: “keine Revolution, sondern eine Evolution”, so der Marketingchef Alexander Schlaubitz. Kleine Einblicke gab es jetzt bereits: Das Design wirkt minimalistischer, schlanker und farbreduzierter. Die Frage nach der Grenze des maximalen Veränderungswerts einer Markenidentität bleibt aber auch hier offen. Wieso halten also Marken oder Unternehmen nicht einfach an ihrem Design fest?
Zum einen ist das immer wieder neu zu durchdenkende Design immens wichtig, um weiter Aufmerksamkeit generieren zu können. Zum anderen können es aber auch Gründe wie die Anpassung an ein ständig wechselndes Markenumfeld, die Internationalisierung einer Unternehmensstrategie, eine gänzliche Neuausrichtung einer Marke oder aber auch aus juristischen Motiven heraus sein.
Rebranding – Woher kommt der Wunsch nach Veränderung?
Fakt ist, dass durch die permanente Reiz- und Informationsüberflutung, besonders im Social-Media-Bereich, die Spanne der Aufmerksamkeit von Kunden immer kleiner wird. Um sich unter diesen Umständen als Marke durchsetzen zu können, muss für den Kunden schnell ein (audio)visueller Wiedererkennungswert geschaffen werden. Nur dadurch kann garantiert werden, dass unter den vielen Angeboten die eigene Marke für den Kunden schnell sichtbar wird und sich von Wettbewerbern abgrenzt. Kennt ein Kunde die Marke noch nicht, so schafft ein glaubhaftes Corporate Design auf der einen Seite Neugier auf das Angebot und auf der anderen eine Erwartungshaltung, die der Kunde an die Marke einnehmen darf. Zusammen mit einem positiven Erlebnis mit dem Markenangebot verfestigt sich ein Vertrauen in der Marken-Kunden-Beziehung und konditioniert zu einer andauernden Erinnerung an die visuelle Repräsentation der Marke und einem vielversprechenden Erlebnis. Damit ergibt aus der nächsten Bewertung unterschiedlicher Angebote schnell die Entscheidung für die vertraute Marke.
So entschloss sich auch das Nachtzug-Unternehmen Caledonian Sleeper dazu, sein Corporate Design für eine bessere Übereinstimmung zwischen modernem Umfeld und Unternehmen überarbeiten zu lassen. In Zusammenarbeit mit Weber Shandwick entstand ein neuer, eleganter Look und griff damit authentisch die Kernessenzen des Nachtzug-Unternehmens in die Repräsentation nach innen und außen auf. Der Wunsch des Kunden, das Kundenumfeld durch wachsendes Interesse zu erweitern und das Herkunftsland Schottland mit in das Design zu integrieren, wurde erfüllt.
Doch eine gestalterische Abgrenzung der Marke muss nicht per se die von der Konkurrenz sein – auch Tochtermarken versuchen, sich von ihren Hausmarken visuell zu differenzieren. ZDF Neo, ein Ableger des öffentlichen Rundfunksenders ZDF, startete das Rebranding zum Ende des letzten Jahres, um das eigene Selbstverständnis als junger und moderner Sender zu verfestigen. Mit einer frechen Farbgestaltung des Logos, der Verabschiedung von der alten Typographie und klarer Artikulierung der Zielvorstellungen vom Rebranding schritt der Sender selbstbewusst in das Jahr 2018. „ZDFneo ist der Sender für Serienkompetenz und anspruchsvolle Unterhaltung im Free-TV. Der neue ‘Auftritt’ von ZDFneo liefert dazu die passende Optik und signalisiert dem Zuschauer: Guck nicht irgendwas, sieh’s mal neo“, erklärte die ZDFneo Senderchefin Simone Emmelius.
Ist das Design wirklich immer schuld?
Der Wunsch und die Umsetzung der Designrevolution einer Marke können also aus unterschiedlichen Quellen entspringen. Ob Neuidentifikation mit Unternehmenswerten oder Abgrenzungsmotivationen – klar ist, wenn eine Marke sich dem Risiko einer optischen Transformation stellt, dann soll vor allem ein wachsender Gewinn gesichert werden. Ob diese Veränderung auch tatsächlich im Design Department stattfinden muss, sollte vorher geprüft werden. Denn manchmal ist es nicht die visuelle Weiterentwicklung der Marke, die die gewünschte Veränderung herbeiführen kann, sondern der gesonderter Blick auf das Angebot. Auch der schönste Schriftzug oder das cleverste Design eines Markenlogos kann nur begrenzt ein unzureichendes Produktangebot ausgleichen.
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