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Nicht noch ein soziales Netzwerk! Doch doch doch! Und zwar als App.
Peach verspricht ein witziger und einfacher Mix aus Telegram, Tumblr und Slack zu sein. Das Besondere an der App sind Schlüsselwörter, mit denen man die Konversationen interaktiver machen kann. Sogenannte Magic Words helfen dann Termine, Musiktitel oder Standorte, Bücher und Bewertungen anschaulicher zu zeigen. Mehr als 20 dieser magischen Worte bietet die App bereits an. Mit “Weather” kann man seinem Chatpartner zum Beispiel seine aktuelle Wetterlage mitteilen. Bei “Song” versucht die App den Song, der im Hintergrund läuft, zu erkennen und stellt eine Verbindung zu Musikstreaming-Diensten her. Die Liste dieser Schlüsselwörter wächst dabei stetig.
Peach – All inclusive
Peach vereint viele Features von anderen Angeboten. Damit ist die Anwendung irgendwie schon vertraut, aber doch gleichzeitig neu. Neben Texten, Bildern und Videos bietet Peach das Suchen und Senden von GIFs an. Es lassen sich in Windeseile eigene Memes erstellen. Und noch persönlicher wird es, wenn man dem Chatpartner einfach etwas aufmalt und dies dann als Bild versendet.
Weiterhin kann man wie bei Twitter anderen Usern folgen, jedoch auch Freunde wie bei Facebook haben. Neue Emoticons (“Hiss” für Fauchen oder “Put a ring on it” für Vergeben sein) holen die User da ab, wo Whatsapp, Telegram und Co. aufhören. Bei Peach ist einfach jeder mit jedem verbunden.
Das Exklusive an Peach ist jedoch ihre Inklusivität, das heißt die Möglichkeit, in der App Bilder und GIFs zu suchen, ohne dabei die App verlassen zu müssen. Damit bringt Peach frische Ideen in die Social-Media-Welt und dient vielleicht als Ansporn für bestehende soziale Netzwerke, sich für die Zukunft anzupassen.
Es würde jedoch nicht verwundern, wenn die App nur wenige Wochen nach ihrem Launch als veraltet deklariert wird. Denn wenn große Konzerne auf Ideen junger Unternehmen aufpsringen, haben die Kleinen oft wenig Chancen. Bestes Beispiel hierfür ist wohl Meerkat, die App, die nur wenige Tage nach dem Launch als das Tool 2015 gehypt wurde, dann aber durch Periscope (von Twitter) verdrängt und schließlich nur wenige Wochen später von der Social Community für tot erklärt wurde.
Einer ähnlichen Zukunft könnte Peach entgegen sehen. So riefen einige Blogs und Websites nur eine Woche nach dem Hype schon ihr Ableben in der Social World aus – was damit zusammen hing, dass die App innerhalb kürzester Zeit spurlos aus den Top Free App Charts verschwand.
Es ist nicht alles Gold, was glänzt
In der Tat hat die App auch einige Schwachstellen, die den User schnell ermüden lässt. So gibt es zum Beispiel keinen zentralen Feed und die bereits angesprochenen Magic Words findet man oft nur durch Zufall. Dabei könnten die das Winning Argument werden, denn Menschen sind durch den Überfluss an Angeboten faul geworden und dies wäre noch ein Schritt weiter in Richtung “Full-Service”.
Bisher muss auch niemand seinen echten Namen angeben, ein Nickname reicht völlig. Dies könnte zu Spam-Attacken auf die User führen. Verknüpfungen zu anderen sozialen Netzwerken existieren nicht. Und bis heute ist die App nur auf den US-Markt eingestellt, das heißt es werden z.B. nur Orte oder Personen innerhalb der USA angezeigt.
So wird der Kampf auf dem von Twitter, Instagram und Co. beherrschten Markt kein leichter werden. Diese sozialen Netzwerke haben sich fest in unseren Köpfen verankert. Mittlerweile denken die meisten von uns in Tweets, Snaps, Posts oder Grams. Neue Teilnehmer haben es sehr schwer, das komplexe Angebot zu (r)evolutionieren.
Ello zum Beispiel war zeitweise in aller Munde. Ein neues Netzwerk, das nicht nur Werbefreiheit und Privatsphäre versprach, sondern sich auch vor einem anonymen Publikum neu zu erfinden versuchte. Nun, Ello gibt es noch, allerdings eher als Plattform für Kreative, um ihre Arbeiten zu teilen, und weniger als Alternative zu Facebook.
Das menschliche Verlangen aktivieren
Dennoch, Peach hebt sich von anderen Netzwerken ab durch die schonungslosen Betonung auf menschliche Impulsivität. Durch die Magic Words und die damit verbundenen Features lassen sich auf bisher einzigartige Weise Emotionen und Gefühle beim User hervorlocken. Und dies spiegelt am Ende das Herzstück moderner Social Networks wider: Um überleben zu können, muss eine App ein Bedürfniss im Menschen ansprechen, das unbedingt befriedigt werden will. Es ist nicht genug, für eine Sache nützlich oder einfach gut zu sein. Es muss auch ein mehr oder weniger unterbewusstes Verlangen hervorrufen. In anderen Worten: Erfolgreiche Apps sind so gebaut, dass sie unser Lustzentrum berühren. Dein Zwang, einfach klicken zu wollen, ist ihr Erfolg.
Doch reicht das, um langfristig zu bestehen? Peach lebt für Basics des menschlichen Verlangens. Andere Social Networks gehen da weiter, statt sich ausschließlich auf Praktikabilität oder Emotionalität zu fokussieren: Twitter ist der Ort, an dem man über soziale Gerechtigkeit spricht und seinen Schwarm abcheckt, Facebook bietet dir die Möglichkeit, dich mit der Großmutter oder fernen Freunden zu unterhalten und potenzielle Arbeitgeber zu finden. Social-Media-Services sind Gerüste für Beziehungen jeglicher Art.
Die Zukunft der App ist ungewiss. Gut möglich, dass die neuen Features von dem einen oder anderen Konzern einfach übernommen werden. Der psychologische Aspekt des menschlichen Verlangens, den die App vermeintlich hervorruft, mag dann ein weiterer Schritt hin zur ständigen Erreichbarkeit sein und erneut die Diskussion ankurbeln, was für den Menschen noch gut und gesund ist. Hier stehen sich dann die Argumente gegenüber, dass moderne Technologien und das Internet die fundamentale Verbindung zwischen Menschen hemmt vs. dass diese technologischen Fortschritte menschliche Beziehungen fördern, da Online-Interaktion als real und bedeutend empfunden wird. Ob man sich dann für die Konnektivität entscheidet, oder dafür, das Telefon mal auszumachen, bleibt jedem selbst überlassen.