Bei Pitches zählt nicht nur der Auswahlprozess auf Kundenseite – auch auf Agenturseite findet ein intensives Auswahlverfahren statt. Bereits bei jeder Anfrage bzw. beim Erhalt der Briefing-Unterlagen fällen Agenturen die Entscheidung, ob sie überhaupt an diesem Pitch teilnehmen. Dahinter stehen klare Analyseprozesse auf Agenturseite, die vielen Unternehmen und Behörden bislang verborgen geblieben sind. Doch genau diese sollten Auftraggeber berücksichtigen, damit sich auch die für sie richtigen Agenturen an den Ausschreibungen beteiligen. Andernfalls finden sie nicht den besten Partner zur Lösung ihrer jeweiligen kommunikativen Herausforderung.
Pitch less – win more
Jede Agentur will und muss profitabel wachsen. Wachstum ist neben allen finanziellen Aspekten auch der Ausdruck dafür, dass die Agentur etwas richtigmacht und einen Mehrwert für ihre Kunden liefert. Es spiegelt zudem die Wertschätzung der Kunden wider und ist gleichzeitig ein Gradmesser für die Attraktivität bei der Suche nach den besten Talenten im Markt.
Der Fokus vieler Agenturen liegt auf dem organischen Wachstum mit ihren Bestandskunden. Im Vergleich zum Neukundengewinn ist dabei ein wesentlich geringeres Invest nötig. Die Beteiligung an Pitches ist immer mit einem erheblichen Aufwand von Ressourcen verbunden. Die Kosten je nach Pitch-Umfang liegen in der Regel zwischen 15.000 bis ca. 60.000 Euro und damit in einer Größenordnung, die nicht leichtfertig ausgegeben wird.
Für alle Agenturen sollte daher schon aus Gründen des Selbstschutzes das kaufmännische Prinzip gelten: Pitch less – win more. Dies ist jedoch nur möglich, wenn man dafür eine klare Agenturstrategie und einen sorgfältigen Prozess für die Pitch-Auswahl hat.
Pitch ist nicht gleich Pitch
Prinzipiell gilt es dabei, zwischen öffentlichen und nicht-öffentlichen Ausschreibungen – meist klassische Unternehmens-Pitches – zu unterscheiden. Da öffentliche Ausschreibungen sehr aufwendig sind, nehmen einige Agenturen gar nicht erst daran teil – andere Agenturen haben sich auf sie spezialisiert und halten sich von allen anderen Ausschreibungen fern.
Öffentliche Ausschreibungen sind oft ausgesprochen anspruchsvoll und höchst komplex. Sie erfordern die strikte Einhaltung strenger Formalien. Das ist. Schon ein kleiner Formfehler – z. B. eine fehlende Unterschrift –führt zum Ausschluss und vernichtet jede Chance auf einen „Return on Invest“. Daher beteiligen sich hier überproportional viele Agenturen, die Mitarbeiter allein dafür vorhalten, sich um die Erfüllung der Formalien zu kümmern.
Anders ist die Situation bei nicht-öffentlichen Ausschreibungen. Hier sind die Schranken durch offenere Formalien geringer. Doch es kommt immer wieder vor, dass Unternehmen Angebote ausschließlich auf Basis eines schriftlichen Briefings einholen und keine wirkliche Chance für eine Auftragsklärung geben. Für jede qualitätsbewusste Agentur ist das ein No-Go – sie wird sich nicht beteiligen.
Der Grund ist leicht einzusehen: Die Entscheidungsfindung bei der Agenturauswahl rein auf Basis eines Angebotes, ohne Referenzen und ohne einen persönlichen Austausch kann nur durch einen großen Zufall zu einer guten Kunden-Agentur-Beziehung führen. Im Allgemeinen funktioniert das nicht.
Jede Agentur, die Wert auf langfristige Kundenbeziehungen legt, wird daher auch auf die Zeit für einen persönlichen Austausch bestehen. Es geht dabei ja nicht nur darum, inhaltliche Fragen zu klären, sondern auch um ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie der potenzielle Kunde und das Unternehmen „ticken“. Schriftliches Sammeln und Beantworten von Agenturanfragen – häufig aus Gründen der gewollten Chancengleichheit durchgeführt – stellen hier keine wirkliche Alternative zur persönlichen Fragenklärung dar. Häufig wirft das sogar nur noch mehr Fragen auf.
Typischer Bestandteil von „New Business-Checklisten“ vieler Agenturen ist daher die Prüfung, welche Form von persönlichen Kontakten es zu dem potenziellen Kunden und zu den Entscheidern gibt oder gegebenenfalls bereits in der Vergangenheit gab. Sie zu nutzen ist immer Aufgabe und Ziel der Agenturverantwortlichen.
Das Briefing als Ausgangspunkt
Was ausschreibende Unternehmen und Behörden immer wieder verwundert, Agenturen beurteilen, welche Qualität das Briefing hat. Ist es vollständig und schlüssig? Sind Aufgabenstellung, Ziele, Zielgruppe, notwendige Informationen, Timing, Budget und Ansprechpartner genannt? Auf Basis dieser Qualitätskriterien wird entschieden, ob man als Agentur überhaupt der richtige Partner für den potenziellen Kunden ist.
Daneben beantwortet das Briefing wichtige Fragen: Passt der Kunde zur strategischen Ausrichtung der Agentur? Existieren die richtigen Expertisen für die Lösung der Aufgabe im Haus? Sind die richtigen Ressourcen vorhanden? Werden diese Fragen negativ beantwortet, so erfolgt als logische Konsequenz die Pitch-Absage und die ausschreibende Stelle verliert so vielleicht die Chance auf den für sie optimalen Agenturpartner.
Die elementare Frage vor der Pitch-Beteiligung
Eine zentrale Frage gilt es für Agenturen immer zu beantworten: Wird sich der Etat profitabel führen lassen, werden die Agenturleistungen und deren Mehrwert entsprechend honoriert oder handelt sich um einen von Agenturen oft „Pricingpitch“ oder „Einkaufspitch“ genannten Pitch, bei dem es vor allem darum geht, günstige Leistungen zu erhalten?
Es ist eine Binsenweisheit, aber man kann sie nicht oft genug wiederholen. Hohe Qualität und umfassende Leistungen bekommt man nicht, ohne dafür einen adäquaten Preis zu zahlen. Auch für Agenturleistungen gilt das Paradigma, dass es die Kombination „Qualität, schnell & billig“ nicht gibt.
Wähle zwei!
In dem Zusammenhang ist es auch ein wichtiges Indiz, ob es ein Agenturhonorar gibt, mit dem man das geistige Eigentum an der Präsentation erwirbt oder zumindest Produktions- und Reisekosten abgedeckt werden können? Für viele Agenturen ist es zudem wichtig zu wissen, wie viele Agenturen insgesamt am Pitch teilnehmen. Damit bewerten sie ihre Gewinnwahrscheinlichkeit. Es ist eine Frage der Fairness und der Wertschätzung, diese Punkte offen zu.
Evaluation und Entscheidung
Auf Basis der Antworten zu diesen Fragen evaluieren Agenturen mit einem Ratingsystem, ob sie am Pitch teilnehmen. Mit Blick auf das Budget und die Gewinnwahrscheinlichkeit wird dann definiert, wie hoch der Invest in den Pitch ausfallen darf, der dem möglichen Return gegenübersteht.
Dies alles dient dazu, mit den vorhandenen Ressourcen sorgsam umzugehen. Denn die einmal in einen Pitch gesteckten Ressourcen stehen für anderes Business nicht mehr zur Verfügung. Diese kaufmännische Sorgfalt erwarten Kunden selbstverständlich von ihren Agenturen bei der täglichen Arbeit und sie ist auch die Basis für den Umgang mit Pitches. Das sollten Pitch-Verantwortliche bei Unternehmen und Behörden immer im Hinterkopf behalten, damit sie Ausschreibungen so gestalten, dass ihre idealen Kommunikationspartner und Wunschkandidaten auf Agenturseite auf jeden Fall daran teilnehmen können.
Dieser Artikel erschien zuerst bei “Pitchblog.de | Fairness in der Kommunikation”.
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