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Gesundheitstracking per App: Mit wem reden wir hier eigentlich?

Gesundheitsdaten sind viel wert. Nicht nur für den gesundheitsbewussten Anwender sind Health-Apps, die Schritte oder Kalorien zählen, den Blutdruck oder Puls messen, ein hilfreiches Tool zur Überwachung der eigenen Gesundheit. Zunehmend entdecken auch Unternehmen  Gesundheitsdaten als das „Öl von heute“. Doch ist das noch gesund?

Viel Potential

Health-Apps sind Gesundheitsdienste, die Daten sammeln und dem Anwender auf anschauliche und übersichtliche Weise präsentieren. Der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (VfA) unterteilt diese Services in verschiedene Kategorien: Vorsorge, Frauengesundheit, Notfall und Erste Hilfe, Ernährung, Bewegung, Krankheit allgemein und Krankheit spezifisch.

Es steht außer Frage, dass die App als wichtiges Tool zur Generierung von Forschungsdaten, als Hilfstool für Notfälle (z.B. Giftnotruf, Notdienste) oder als Informationsportal zur Verbesserung der Gesundheit der Gesellschaft beitragen kann. Hier liegt noch viel ungenutztes Potential.

Schwieriger wird es aber bei den so genannten reinen Health-Trackern. Sie sammeln nicht nur Daten über Körpergröße oder Schritte, sondern zunehmend auch über das Gesundheitsverhalten. Die Anzahl dieser Anwendungen steigt rasant.

Raucher zahlen mehr, gesundes Essen wird belohnt

Wenn man sich den jüngsten Vorstoß der privaten Krankenversicherung Generali ansieht, kann dieses Modell vielleicht bald Wirklichkeit werden. Ihre Patienten sollen ab Frühjahr 2016 dafür belohnt werden, wenn sie sich die Health-App Vitality herunterladen und gesundheitsbezogene Daten tracken. Bei regelmäßiger Übermittlung an die Krankenkasse winken Prämien und Geschenke. Hört sich toll an, denn wer gesund lebt, kostet schließlich auch weniger.

Auch gesetzliche Krankenversicherungen bezuschussen schon jetzt Vorsorgeuntersuchungen und präventive Kurse oder bieten Bonusprogramme an. Private Krankenkassen, wie Generali, besitzen aber mehr Freiheiten. Sie sind von vorn herein von dem „Non-Profit“-Gedanken nach SGB V entkoppelt, die Beiträge werden hier zu Beginn individuell nach eigenem „Risikoprofil“ festgelegt. Eine App zur Generierung der „Beweise“ ist also vielleicht doch nur eine logische Konsequenz.

Kritisch könnte es aber im Umkehrschluss werden, wenn sich z.B. Patienten weigern an dem Programm teilzunehmen, beziehungsweise zu wenig oder die „falschen Daten“ übermitteln. Stehen Übergewichtige, Raucher oder chronisch Kranke dann bald im Abseits? Könnte es für sie bedeuten, dass ihre Beiträge steigen, zusätzliche Risikoabschläge fällig werden oder sie gar im Krankheitsfall weniger bevorzugt behandelt werden? All dies wäre nicht mehr ausgeschlossen. Von vielen Seiten wird dieser Vorstoß der Generali deshalb schon als Anfang vom Ende der Solidargemeinschaft gesehen.

Ob sich verhaltensbasierte Versicherungsmodelle auch bei den gesetzlichen Krankenversicherungen durchsetzen können, ist offen. Laut einer Umfrage der BitKom würden 37 Prozent der Smartphone-Nutzer ihrer Krankenkasse Gesundheitsdaten übermitteln, bei den über 65-jährigen sind es sogar 47 Prozent. Woher kommt dieses Vertrauen in „das Digitale“ und wann haben Sie eigentlich das letzte Mal offen mit Ihrem Arzt oder Apotheker (einer realen Person mit Know-How und Instant-Feedback) über Ihr Gesundheitsprofil geredet?

Die Herausforderung

Die getrackten Gesundheitsdaten vielleicht selbst nicht richtig interpretieren zu können und sich blind auf die Richtigkeit dieser Apps zu verlassen, ist eine Sache. Viel bedeutender jedoch ist die Datenschutzdiskussion. Gesundheit ist unser persönlichster Besitz und sollte auch unser bestgehüteter sein. Gerade bei Health-Apps ist aber eher das Gegenteil der Fall. Die meisten dieser Apps sind kostenlos oder für geringes Geld zu bekommen. Dieser niedrigschwellige Zugang macht die Anwendungen attraktiv. Doch den wenigsten ist bewusst, dass wir gerade durch unsere „Datenspende“ diese Produkte finanzieren. Nicht umsonst werden Daten schon als Währung des 21. Jahrhundert gehandelt, und wir sind fleißig Spender.

Früher hieß es noch: „Was nix kost‘, das is‘ auch nix.“ Dass aber gerade bei der Preisgabe von Informationen über Gesundheit, Ess- oder Bewegungsverhalten sehr zurückhaltend vorgegangen werden sollte, stört anscheinend nur, wenn über die elektronische Gesundheitskarte diskutiert wird – eine kleine Datenmenge, wenn man bedenkt, welche Fluten schon in der Cloud treiben. Bei der eGK beschränkt sich der Zugriff auf ein paar Stakeholder. Eine Online-Datenbank hingegen lässt sich schneller hacken, nicht zuletzt, da viele Health-Apps ihre Daten noch unverschlüsselt übertragen.

Klare Kommunikation hilft

Generell ist die Entwicklung von Health-Apps jedoch etwas Gutes. Es ist sehr begrüßenswert, dass wir gesundheitsbewusster leben wollen und mehr darauf achten möchten, was wann wie mit unserem Körper geschieht. Apps sind hierbei einfache Helfer, die uns bei diesem Vorhaben sinnvoll unterstützen können. Doch es ist wichtig, dass es dafür Regeln gibt und dass diese klar kommuniziert werden.

So sollte man auf die AGBs achten und vorzugweise Apps nutzen, die die Daten lokal und nicht zentral speichern. Weiterhin wäre es auch sinnvoll, wenn Gesundheits-Apps zukünftig lizensiert werden würden. Im Moment gibt es in Deutschland dafür noch keine Möglichkeit oder Institution, die diesen Part übernehmen könnte – vielleicht eine Aufgabe des Verbraucherschutzes? Im Grunde wären Health-Apps dann als Medizinprodukte zu betrachten, die den gleichen Anforderungen und Auflagen entsprechen müssten wie z.B. ein Blutdruckmessgerät aus der Apotheke. Zudem müssten die Apps auf Benutzerfreundlichkeit und Bedienfähigkeit, gerade von multimorbiden oder eingeschränkten Patienten, getestet werden, damit sie zuverlässig in Eigenregie benutzt werden können. Und zu guter Letzt sollten dann auch Healthcare-Professionals darin ausgebildet werden, Patienten in diesen digitalen Anwendungen sachgerecht zu schulen.

Eine Lizensierung würde den Wettbewerb in diesem Gebiet ankurbeln und dafür sorgen, dass der Markt verlässlichere Apps anbietet und insgesamt transparenter wird. Andersherum könnte man sich auch vorstellen, dass z.B. Krankenkassen oder Gesundheitsberufler aktiv auf ihre Patienten zugehen und ihnen Apps zur Verfügung stellen, die sie über Gesundheitsthemen informieren – zu reinen Gesundheitsaufklärung, ohne den Zwang zur Gesundheitserziehung mit erhobenem Zeigefinger und Datensammlung.

Fazit

Gerade im Gesundheitsbereich wird die Digitalisierung mit kritischem Auge beobachtet. Dies ist sicherlich auch ein Grund für ihre dortige Entwicklung „im Schneckentempo“. Es fehlen noch die richtige Infrastruktur und Maßnahmen, um die Verbraucher vor Missbrauch zu schützen.

Bis dahin sollte man in einer Zeit, wo eigene Ess-, Reise- und Einkaufsgewohnheiten aus Facebook- oder Google-Profilen simpel herauszulesen sind, sich gut überlegen, wie freizügig man mit seinem wichtigsten Gut umgehen möchte. Seinen Geldbeutel lässt man ja auch nicht einfach so rumliegen.

 

Bild via pixabay.com under CC0 Licence