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#talknerdytome – Das Sozialkreditsystem in China

In unserer Blogreihe „Talk Nerdy To Me“ beweist das Tech-Team von Weber Shandwick in regelmäßigen Abständen, wie viel Expertise in ihnen steckt. Automotive, KI, Chatbots, Lidar, Blockchain und Co. sind für unsere Techies schon längst keine Fremdbegriffe mehr, sondern gehören zum alltäglichen Wortschatz. Hier klären sie auf.

 

Es hört sich an wie eine Dystopie à 1984, schleicht sich im Reich der Mitte aber mitten in die Gesellschaft: Nach einigen Pilotprojekten soll dieses Jahr in China landesweit ein digitales Sozialkreditsystem eingeführt werden, an dem kein chinesischer Bürger und auch kein Unternehmen vorbeikommen wird. Mittels eines virtuellen Kontos, das zwischen 600 und 1300 Punkten aufweisen kann, wird dann die Vertrauenswürdigkeit umfassend kontrolliert.

 

Wie es funktioniert

Laut einem Bericht von FAZ.net dienen zum einen analoge Unterlagen wie Meldedaten, Strafregister und Schulzeugnisse als Bewertungsgrundlage. Ebenso sind aber z.B. genutzte Suchbegriffe, getätigte Online-Einkäufe, Kommentare aus sozialen Netzwerken und Auswertungen von Kamera-Aufzeichnungen relevant – Big Data par excellence. Laut einem chinesischen Regierungsbeamten generiert Künstliche Intelligenz schließlich den finalen Score aus den fünf Kategorien Gesetzestreue, moralisches Wohlverhalten, soziales Engagement, Aktivitäten im öffentlichen Interesse und im Interesse des Umweltschutzes.

Ein Plus auf‘s Punktekonto gibt es beispielsweise durch gemeinnützige Arbeit, Blutspenden oder öffentliche positive Äußerungen über die Regierung. Das ist wichtig, denn eine gute Bilanz wird honoriert – z.B. durch kostenfreie Eintritte oder Mitgliedschaften. Von Menschen mit den falschen Freunden, die wohlmöglich noch in Zahlungsverzug sind oder sich im Straßenverkehr etwas zuschulden kommen lassen, werden Punkte abgebucht. Ist der Score dauerhaft zu niedrig, muss mit zahlreichen Einschränkungen gerechnet werden, wie beispielsweise bei der Reisefreiheit und der Vergabe von Krediten. Damit es nicht so weit kommt, hängen mancherorts zum Ansporn Plakate von Modellbürgern aus.

 

Wie es eingeordnet wird

Während ein derartiger Eingriff in die Privatsphäre in Deutschland unvorstellbar wäre, sind chinesische Staatsangehörige dem neuen System gegenüber offenbar überwiegend positiv eingestellt – und das, obwohl sich ihr Verhalten bereits zum Teil verändert hat, wie eine Studie der Freien Universität Berlin aufzeigte. Mal abgesehen davon, dass Kritik sehr wahrscheinlich Abzüge zur Folge hätte, wird das Punktesystem als Instrument zur Verbesserung der Lebensqualität und zur Schließung institutioneller und regulatorischer Lücken betrachtet, so die Forscher. Kritiker warnen hingegen vor digitalem Totalitarismus und der Macht chinesischer Online-Riesen wie Alibaba oder WeChat.

 

Du outest dich als Nerd, wenn du …

… als Techie von Selbst-Quantifizierung zwischen Schrittzähler und Schlafanalyse in der Regel nicht genug bekommst. Die Orwell‘sche Sozialkontrolle kannst du jedoch nicht befürworten: Du findest, dass die unmittelbare Auswirkung von Online-Identität auf das echte Leben im fernen Osten definitiv zu weit geht – eine Entwicklung, die aufzeigt, wie gläsern wir mittlerweile geworden sind. Auch nicht gerade beruhigender findest du, dass der IT-Experte John Huang aus Peking in einem Artikel Parallelen zwischen der Praxis in China und der Vorgehensweise von Datenkraken wie Ebay oder Facebook zieht. Ob du deshalb weniger Privates in den sozialen Netzwerken preisgeben möchtest, personalisierte Werbung blockierst oder gar deine Profile löschst, bleibt hierzulande zum Glück ausschließlich dir selbst überlassen.

 


 

#TALKNERDYTOME

Fordere das Technology-Team heraus und schicke uns deinen ultimativen Nerd-Begriff. Wir erklären ihn dann in einem der nächsten Beiträge. Schick einfach eine E-Mail mit deinem Begriff an kontakt@webershandwick.com.

 

Bild Credits: Banner – Unsplash under Creative Commons Zero Licence