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From a brand to a stand? Mixing brands and politics

Das einjährige Wahljubiläum von Donald Trump ist auch ein willkommener Anlass für einen Zwischenstand, was diese Zeitenwende mit Marken – in den USA und anderswo – macht. Wie wohl keine Präsidentschaft vor Trump hat diese Administration auch Marken herausgefordert, sich mit Haltungen, aber auch mit Handlungen zumindest in Ansätzen zu politisieren.

Es erscheint noch voreilig, hieraus eine Zeitenwende der Markenführung abzuleiten und einen Abgesang anzustimmen auf das jahrzehntelange Dogma, dass sich Marken aus Politik zumindest öffentlich raushalten sollten. Aber insbesondere in den USA deuten sich zumindest Trends an, die ggf. auch mit deutscher Brille interessant sein könnten.

Eine neue Opposition

„We used to listen to politicians and laugh at comedians – now we laugh at politicians and listen to comedians“. Die wunderbare Zuspitzung dieses NGO-CEOs deutet in eine bemerkenswerte Stoßrichtung: Colbert, Oliver, Kimmel, Baldwin und Co sind die eigentlichen Speerspitzen des Widerstandes gegen die Kulturrevolution von Trump, Breitbart und Co.

Möglicherweise – so die zu prüfende Hypothese dieses Beitrages – formiert sich in der öffentlichen Artikulation politischer Standpunkte von Unternehmen und Marken eine zweite überraschende Oppositionsbewegung im aktuell fluiden politischen System der USA. Folgen wir dem PR-Branchenguru Paul Holmes ist diese Entwicklung sogar alternativlos: (in) „The Age Of Trump: For American Companies, Neutrality Is Not An Option“.

Zahlreiche Cases deuten in diese Richtung:

  • Auf Trumps erste Immigration Order im Januar 2017 reagiert Google nicht nur mit Protest und Empörung via Social Media oder PR (wie auch Disney, Morgan Stanley, oder Verizon) recht zügig, sondern spendet nur einen Tag später einen Fond für NGOs, die mit Flüchtlingen arbeiten, in Höhe von mehreren Mio. US$. Auf den gleichen Travel Ban antwortet Starbucks unmittelbar mit der Ankündigung, in den nächsten 5 Jahren 10.000 Flüchtlinge einzustellen.
  • In der sogenannten BICEP-Initiative widersetzt sich ein ganzer Cluster von Superbrands von Unilever bis Kellogg’s Trumps und Bannons Rückwärtswende in der Klimapolitik und ermahnen sich und ihresgleichen, die CO2-Reduktionsziele aus dem Paris-Klimavertrag zum eigenen Benchmark zu machen. Amazon, Apple, Facebook und Microsoft sind neben vielen anderen Marken auch Teil der Klimaschutzbewegung americaspledgeonclimate.com, die aktuell auf der Bonner Klimakonferenz COP23 Alternativen zur offiziellen Richtung der Trump-Delegation präsentiert.
  • Und der SuperBowl, traditionell die Schaubühne globaler Werbetrends, zeigte 2017 ein ganzes Feuerwerk kreativer Oppositionsarbeit – von Diesel’s Vorschlag „to make love, not walls“ entlang der Grenze zu Mexico bis zu Anheuser Buschs‘ Erinnerung an die Ursprünge der Marke in der Migration der deutschen Gründer Mitte des 19. Jahrhunderts.

Haltungen und Handlungen

From a Brand to a Stand: Marken artikulieren politische Haltungen und Meinungen auch jenseits hintergründiger Lobbying-Interessen und werden so zu einem soziokulturellem Akteur, der nicht nur das nächste Quartal, sondern das nächste Vierteljahrhundert im Visier hat.

Möglich machen diese Entwicklung neben neuen politischen Konstellationen auch scheinbar größere generelle gesellschaftliche Verschiebungen. Schon seit einiger Zeit beobachten  Soziologen, wie zunehmend die Grenzen fallen zwischen den gesellschaftlichen Sektoren, und Zivilgesellschaft,  Politik, Philanthropie und Wirtschaft immer öfter gemeinsam antreten (müssen), um Lösungen für die dringenden Probleme unserer Zeit zu suchen.

Aber auch die globale Konsum(enten)kultur ist hierfür genauso Treiber. Konsumenten präferieren Produkte von Unternehmen, die sich als good corporate citizens für gesellschaftliche Belange einsetzen. Konsum wird so auch als politische Handlung begreifbar: „Every time you spend money you’re casting a vote for the kind of world you want”, schrieb die Autorin Anna Lappe bereits 2010.

Werte vs. Aufmerksamkeit

Mit großer Begeisterung hat unsere Branche in den vergangenen Jahren die tollen Haltungskampagnen von Dove zur wahren Schönheit, Always‘ #likeagirl oder REI opt outside gefeiert. So begeistert, dass man – so wie unser Kollege David Orlic in seinem Blogbeitrag vor einigen Wochen – trefflich darüber nachdenken kann, ob diese Purpose-Kampagnen überkippen und zurückschnappen, wenn sie nicht entsprechend mit glaubwürdigen und konsequenten Handlungen (s.o.) unterfüttert werden.

In jedem Fall haben sich solche und andere Marken mit Kampagnen konsequent an zentrale soziopolitische Themen angenähert, und das Jahr 2017 könnte der Turning Point zu werden, in dem Marken beginnen, auch explizit politische Ansichten zu artikulieren, allen klassischen PR-Warnhinweisen zum Trotz. Dieses aktive Risk-Taking könnte eine andere Strategie sein, dem von David beklagten Purpose Backlash zu begegnen – mit der Einnahme einer dezidierten politischen Haltung stehen in den heutigen meinungspolaren Zeiten  doch einiges Guthaben und Wohlwollen auf dem Spiel.

Wie bei jeder guten Wette steht auf der Kehrseite des Risikos ein potentiell hoher Gewinn, Wohlwollen von Konsumenten und Arbeitnehmer, die das glaubwürdige Eintreten für eine Haltung wertschätzen und belohnen. Jahrzehntelang hat eine Prämisse die Werbung dominiert: Aufmerksamkeit schafft Wert – von Mediawerten bis hin zu zahlreichen methodisch umstrittenen Brand Equity Berechnungen. Die obigen Überlegungen legen eine Umkehrung dieser Prämisse nahe: Werte verschaffen Aufmerksamkeit – klare Haltungen, gesellschaftlich bewegende Aussagen und Handlungen von Marken verdienen Engagement und Multiplikation, und sorgen auf diesem Wege für belohnende Brand Awareness.

Und wir/hier so?

In einem Gespräch mit einem Geschäftsführer eines großen deutschen Markenartiklers habe ich kürzlich einmal wieder die Annahme gehört, dass letztendlich doch alle größeren Trends aus den USA mit etwas zeitlichen Verzögerungen bei uns ankommen. Die Hoffnung, dass das zumindest nicht zwangsläufig für Wahlergebnisse gelten würde, ist zunächst in den Niederlanden, Frankreich oder Deutschland erfüllt worden. Aber mit Blick auf die größeren Transformationszusammenhänge lässt sich die Tendenz dieser Vorhersage schwerlich widerlegen. Entsprechend sehen wir erste Anzeichen, dass die Politisierung von Markenkommunikation auch in Deutschland eine Option wird. Insbesondere in der Flüchtlingspolitik haben sich in der jüngeren Vergangenheit einige Marken positioniert:

  • Fishermans Friend adressierte die rechtslastigen Proteste und Unwillkommensgesten gegenüber Flüchtlingen in Heidenau mit der neuen Sorte „Toleranz“ und textete entsprechend on brand: „sind sie zu bunt, bist Du zu braun!“
  • Das Bonner Smoothie-Start-Up True Fruits hat in Deutschland und Österreich mit der Aussage“ Bei uns kannst Du kein Braun wählen“ (und einigen anderen Provokationen) in den politischen Diskurs aufmerksamkeitsstark aufgemischt.
  • Edeka hat im August 2017 in Hamburg in einem Supermarkt alle Produkte ausländischer Herkunft ausgeräumt und unter dem Motto “So leer ist ein Regal ohne Ausländer“ für Vielfalt und Toleranz in Deutschland geworben.

Aber auch in anderen Politikfeldern scheinen Marken direkter als zuvor zu agieren. CEOs werden auch hierzulande zu Sprechern in politischen Kontexten (und verstecken sich und ihre politischen Interessen nicht mehr ausschließlich hinter Konstruktionen wie z.B. Verbänden) – der Auftritt von Daimler CEO Zetsche bei dem Bundesparteitag der Grünen im November 2016 kann hier vielleicht als Trendwende gedeutet werden.

Aus Haltungen werden Handlungen: Unilever, ohnehin oft gefeiert für seine zahlreichen Engagements, z.B. auch in der Klimapolitik und kürzlich von Bloomberg Businessweek als „The last good company“ vorgeschlagen, artikuliert auch mit Blick auf Europa den nächsten Shift von „Marketing Purpose“ zu „Brand Activism“ und fordert: „brands should enable customers to turn purpose-focused  intentions into tangible action“.

Lasst uns mutig sein

Die oben skizzierte neue Markenlogik – value creates awareness – verspricht ein hochrelevantes neues Aufgabengebiet für alle Kommunikationstreibenden: wie können Marken ihr Gewicht, ihre Stimmen (und nicht zuletzt ihre Media-  und Kommunikationsbudgets!) nutzen, in unsteten Zeiten Akteur für gesellschaftlichen Wandel und politische Veränderung zu sein?

In seiner Antrittsrede als neuer Bundespräsident hat Frank Walter Steinmeier vor einigen Monaten an unser Land appelliert: lasst uns mutig sein. In diesem Sinne lautet unsere heutige Ableitung für die Markenkommunikation mit einem historischem Vorbild: lasst uns mehr Haltung wagen!

 

Jan Dirk Kemming ist Chief Creative Officer von Weber Shandwick in Deutschland und Continental Europe und Professor im Studiengang Corporate Communications an der Hochschule Fresenius.

 

Bild Credits: von Gabriel Sadana under Creative Commons Licence, via flickr.com