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Warum Unternehmenskultur einen Ansatz für Risikomanagement braucht

Kultur ist das wertvollste Gut eines Unternehmens – der ‘X Faktor’, der den kleinen, aber feinen Unterschied ausmacht. Sie kann aber auch genauso das größte Risiko für eine Organisation darstellen. Wird die Unternehmenskultur vernachlässigt, entwickelt sie eine Eigendynamik und entfernt sich weiter und weiter von ihrem ursprünglichen Charakter. Spätestens in Krisensituationen ist sie dann wieder gefragt. In einer Welt, die von radikaler Transparenz gezeichnet ist, bleibt es dann nur noch eine Frage der Zeit, bis die entstandenen, inneren Brüche der Unternehmenskultur von außen erkennbar werden. Eine beschädigte Unternehmenskultur wirkt dann nicht nur demoralisierend auf die Mitarbeitenden, sie sorgt auch bei Kunden für Vertrauensverlust und kann im schlimmsten Fall den Ruf eines Unternehmens ruinieren.

 

Unternehmenskultur als Risikofaktor oft unerkannt

 

Umso erstaunlicher, dass nur wenige Unternehmen den Risiken, denen ihre Kultur ausgesetzt ist, die gleiche Aufmerksamkeit wie etwa der Identifizierung und Reduzierung finanzieller, operationaler oder wirtschaftlicher Risiken schenken. Damit bleibt das größte Risiko oft unerkannt – obgleich es tagtäglich durch individuelle Handlungen und Entscheidungen aller Angestellten beeinflusst wird. Denn schließlich handelt nicht jeder im Unternehmen zwangsläufig konform mit dessen Wertesystem. Ein holistischer Ansatz im Risikomanagement sollte daher nicht nur Themen wie Cybersecurity umfassen. Er sollte auch den verantwortungsbewussten Umgang mit der Unternehmenskultur berücksichtigen – und zwar mit dem gleichen Grad an Dringlichkeit, Aufmerksamkeit und Einsatz wie jegliche anderen Bedrohungen. Doch das wird bislang kaum umgesetzt: Basierend auf einer Studie von Weber Shandwick stimmt nur einer von fünf Mitarbeitenden weltweit zu, dass sein Arbeitgeber eine gute Unternehmenskultur gestaltet. Ein Ergebnis, das ganz klar den Bedarf für Verbesserung aufzeigt.

Wie könnte also ein proaktiver, kulturfokussierter Ansatz für das Risikomanagement aussehen? Wir haben entscheidende Schritte zusammengetragen, die bei konsequenter Beachtung den Wert der Unternehmenskultur stärken und schützen können. Sie gewinnen besonders in Zeiten rapiden Wachstums, Gewinns oder finanzieller Minderleistung an Bedeutung, aber auch in Situationen, in denen kulturelle Normen formell und informell neu verhandelt werden müssen.

 

Führen Sie regelmäßig eine Diagnose der Unternehmenskultur durch

 

Sobald Werte und Verhalten in Einklang stehen, sollten sich Unternehmen in regelmäßigen Abständen selbst evaluieren. Gleichzeitig gilt es, auch andere Indikatoren für kulturelle Risiken im Blick zu behalten. Einmal im Quartal den kulturellen Puls zu messen, kann Unternehmen darin unterstützen, kulturelle Schwächen zu erkennen und proaktiv zu adressieren. Neben Input aus der Personal- und Rechtsabteilung (z.B. Beschwerden, laufende Untersuchungen etc.) sollte eine Kultur-Diagnose folgende Aspekte berücksichtigen:

  • Eine starke Spitze. Eine Führungsetage, die auf Worte keine Taten folgen lässt oder lieber mal wegschaut, gibt schlechtem Verhalten stillschweigend Zustimmung.
  • Hierarchie. Eine starke Abhängigkeit von langwierigen Entscheidungsprozessen kann das individuelle Verantwortungsgefühl und das Durchsetzungsvermögen eines jeden Einzelnen negativ beeinflussen.
  • Geschwindigkeit. Der Druck, schnellstmöglich abzuliefern und Geschäftsziele erreichen zu müssen, kann schnell dazu führen, Vorgänge abkürzen zu wollen oder schlimmer noch: Es kann zu signifikanten Verstößen und Verlusten führen.
  • Kommunikation. Unzureichende Kommunikation lässt zu viel Raum für individuelle Interpretation und öffnet die Tür für Missverständnisse und Nichtfolgeleistungen.
  • Verantwortung. Unternehmen, die sich unzureichend darum bemühen, auf Beschwerden zu reagieren und keine Konsequenzen durchsetzen, signalisieren damit, dass sie unangemessenes Verhalten tolerieren oder vielleicht sogar belohnen.
  • Vorurteile. Wenn unterschiedliche Sichtweisen nicht respektiert werden und sich die Mitarbeiter nicht mit einbezogen fühlen, kann es zu Belästigungen, unhöflichem Verhalten und Diskriminierungen kommen.

Manche Unternehmen oder Organisationen sind aufgrund ihrer Zusammensetzung, Größe, der Branche oder des Standortes bestimmten Risiken stärker ausgesetzt als andere. So muss etwa der Sportverband ein besonderes Augenmerk auf die Vermeidung geschlechtsspezifischer Diskriminierung legen. Die informelle Kultur eines Start-ups hingegen sollte vermeiden, eine Akzeptanz von unangebrachtem Verhalten zu kommunizieren. Die Erstellung eines Bewertungsbogens kann hilfreich dafür sein, die für das Unternehmen wichtigsten Punkte aufzugreifen und gleichzeitig im Blick zu behalten. Die Bögen sollten regelmäßig mit dem Vorstand oder der Geschäftsführung geteilt werden.

Nichtsdestotrotz erzählt auch die beste Datenerhebung nie die gesamte Geschichte der vorherrschenden Unternehmenskultur. Studien zeigen, dass unangebrachtes Verhalten meist in informellen oder nichtöffentlichen Settings auftritt – nach der Arbeit, online oder hinter verschlossenen Türen. Ein kritischer Bestandteil der Diagnose ist es daher, gerade in umstrukturierten Organisationen den persönlichen Kontakt zwischen der Unternehmensführung und den Mitarbeitern über sämtliche Hierarchieebenen hinaus zu pflegen und interne Social-Media-Gespräche zu verfolgen – eine Praxis, die als „management by walking around“ bekannt ist. Auch Vorstandsmitglieder können und sollten sich hier einbringen.

Hier geht es zum zweiten Beitrag: “Unternehmenskultur als Risikofaktor: Wenn die kulturelle Verantwortung zum Teil der Arbeit wird”.

Bildcredit: Business people discussing over work culture in meeting, by Jacob Lund via Adobe Stock