Während weite Teile der Welt noch immer unter den Folgen des Coronavirus leiden, befindet sich China in der Erholungs-Phase. Dies verschafft dem Land einen Vorteil, denn es ist für ausländische Investoren und Unternehmen (wieder) attraktiv. Ende Mai fand Chinas größtes jährliches politisches Treffen statt, das allgemein unter dem Namen “Two Sessions” bekannt ist.
Die wichtigsten Diskussionspunkte waren die post-epidemische wirtschaftliche Resilienz und die Maßnahmen zur Kontrolle des Virus. Das um zwei Monate verschobene „Back-to-Back“ Treffen der obersten Legislative Chinas markierte das erste Mal, dass China kein BIP-Wachstumsziel festgelegt hat. Stattdessen verlagert die chinesische Regierung ihren Schwerpunkt auf “six securities”, um die Wirtschaft und Gesellschaft innerhalb der unsicheren Entwicklungen der Weltwirtschaft und des Welthandels zu stabilisieren.
Mit ihrem Wechsel von der Wachstums- zu einer Stabilitätsstrategie priorisiert die Regierung die Stabilisierung der Beschäftigungslage und die Sicherung des Lebensstandards. Um eine wirtschaftliche Erholung zu erreichen, wird sich die chinesische Regierung auf die Förderung der Konsumausgaben und die Ausweitung der Binnennachfrage durch verschiedene Aktivitäten konzentrieren.
Investitionen in neue Infrastrukturtechnologien wie 5G und KI sowie eine verstärkte finanzielle Unterstützung für Unternehmen und ein „neuer Stil der Urbanisierung“ sind wichtige Säulen. Ziel ist es, führende Städte und Stadtcluster in weniger entwickelten Regionen zu nutzen, um die umliegenden Gebiete zur Schaffung neuer Industrien und Arbeitsplätze zu ermutigen. Die 5G-Einführung ist ein Schlüsselaspekt der chinesischen Telekommunikationsstrategie für das kommende Jahr.
Konsumgüter wenig gefragt
Im Gegensatz zu den USA, wo fast 70% der Wirtschaft aus dem Handel mit Konsumgütern bestehen, macht Chinas Konsum weniger als 30% der Gesamtwirtschaft aus – wohingegen Handel und Investitionen den größten Teil einnehmen. Dennoch verzeichnete China auch nach dem Abflachen der Infektionsrate einen allgemeinen Nachfragerückgang bei Konsumgütern. Nach Angaben des Institute for Economic Research ist Chinas Gesamtverkauf von Konsumgütern im Zeitraum Januar bis März 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 19% zurückgegangen.
Die chinesische Regierung konzentriert sich nun darauf, das Konsumniveau anzuheben, um die Wirtschaft anzukurbeln und tut dies unter anderem durch die Bereitstellung von Coupons und Kaufanreizen für die Bevölkerung. Die Stadtregierung von Shanghai hat beispielsweise im Mai einen „Einkaufsfeiertag“ ins Leben gerufen, an dem Tausende von Geschäften teilnahmen. China UnionPay sagte, dass die Gesamttransaktionen an diesem Feiertag um 16% höher waren, als an einem durchschnittlichen Wochenende im April.
Welche Auswirkungen haben der Lockdown und die aktuelle Situation auf das chinesische Verbraucherverhalten?
Das Verbraucherverhalten hat sich geändert, da die Menschen mehr Zeit in ihren Häusern verbringen, um zu kochen und ihre Wohnungen einzurichten. Die Zahlen von Alibaba’s TMall bestätigten diese Verschiebung und sahen einen Anstieg der Verkäufe von Haushalts- und Küchenelektronik um 196% im Vergleich zu 2019 und einen 89%igen Anstieg bei Kochutensilien. Materialien für die Wohnungseinrichtung und Beleuchtung verzeichneten einen Anstieg von 101% bzw. 53%.
Während des langen Wochenendes vom 1. bis 5. Mai wurden fast 104 Millionen Inlandsreisen unternommen – ein signifikanter Wiederanstieg im Vergleich zum dreitägigen Feiertag im April, welcher jedoch nur 60% der Rekordzahl des letzten Jahres ausmacht. Laut Ctrip (China’s Expedia) macht die Generation Z mehr als 50% der Inlandsreisenden aus. Chengdu, Sanya und Shanghai sind dabei die beliebtesten Reiseziele. Die Touristenattraktionen und Nationalparks des Landes sind geöffnet, erfordern jedoch eine Vorausbuchung, um den Andrang weitestgehend einzugrenzen. Die Verbotene Stadt in Peking wurde am 1. Mai wiedereröffnet und die Tickets für den 5-tägigen Trip waren innerhalb von 12 Stunden ausverkauft.
Die Autoindustrie boomt
Obwohl die Luftfahrtindustrie wieder anzieht, fahren die Menschen nach Angaben des Verkehrsministeriums nach wie vor mit privaten Autos zu den Attraktionen. Die Autoindustrie boomt und die Menschen geben ihr Geld für Premium-Qualität und etablierte Marken aus, die einen langfristigen Wert bieten. Die Automobilindustrie erlebte 2019 eine Verlangsamung, aber mit der Angst der Menschen vor öffentlichen Verkehrsmitteln, kombiniert mit staatlichen Subventionen, steigt das Kaufinteresse. Allein ein Autohaus in Shanghai verzeichnete am langen Wochenende im Mai einen Anstieg von 230% gegenüber den Verkaufszahlen vom April und einen Anstieg von 41% gegenüber den Verkaufszahlen vom April 2019.
Die deutsche und europäische Wirtschaft ist von einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung in China abhängig. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Maßnahmen der chinesischen Regierung in den kommenden Wochen auswirken und ob sich in Deutschland positive Signale bei unseren Exporten nach China zeigen werden. In finanzieller Hinsicht spielt China groß auf: Mit speziellen Staatsanleihen in Höhe von einer Billion Yuan in 2020 will China mit “Wumms” aus der Krise herauskommen.