Quantencomputer geistern in den letzten Jahren häufig durch die Wissenschaftsteile größerer Tageszeitungen, Quantum Computing rangiert als Stichwort nur knapp hinter KI und Machine Learning. Gern sind die Texte schön bebildert, denn so ein Quantencomputer, der ein bisschen anmutet wie der Warpkern auf der Enterprise-D (du bist ein Nerd, wenn du jetzt nicht googeln musst. Allerdings bist du vermutlich auch deutlich über 30!) macht schon rein optisch etwas her.
Über ihren Nutzen sind sich die versammelten Vertreter der wissenschaftsschreibenden Zunft allerdings nicht recht einig. Von „Revolution“ und „Superhirn“ jubeln die einen. „Nur ein Hype“, befinden andere, um gleich noch ein Detail auszuführen, dass Quantencomputer gar nicht viel können, mehr noch: „Nach praxisrelevanten Problemen, die diese Computer schneller und effizienter lösen können als herkömmliche Computer, sucht man immer noch“, bemängelte Wissenschaftsredakteur Christian Speicher im Januar 2023 in der NZZ. Wieder andere ließen sich in Gesprächen mit führenden Quantum-Wissenschaftlern vom Gegenteil überzeugen. Ja, was denn nun?
Fangen wir vorne an: Was ist denn ein Quantencomputer?
Quantencomputer bestehen größtenteils aus Kryogenik, um den Prozessor auf einer ultrakalten (-273 °C) Temperatur zu halten. Ein klassischer Prozessor verwendet Bits, die nur eine Null oder eine Eins sein können. Ein Quantencomputer hingegen verwendet auf den Gesetzen der Quantenmechanik basierende Qubits. Ein solches Qubit ist die kleinste Recheneinheit eines Quantencomputers und kann in einen Überlagerungszustand (Superposition) gebracht werden, während dessen es weder eine digitale Eins noch eine Null ist, sondern kurzzeitig gewissermaßen beides gleichzeitig. Erst bei der Messung legt es sich auf einen Zustand fest*.
Das erlaubt es Quantencomputern, mathematische Aufgaben in Minuten zu lösen, für die selbst die leistungsstärksten herkömmlichen Computer Jahre bräuchten. Eine von vielen Herausforderungen dabei: Die Quantenfehlerkorrektur. Denn Quantenzustände sind aufgrund der so genannten Dekohärenz überlagerter Zustände kurzlebig**. Betrachtet man jedoch die jüngsten Fortschritte in diesem Bereich, wird klar, dass Quantencomputing das Potenzial hat, etwa bei der Entdeckung neuartiger Materialien von Medikamenten bis hin zu Batterien, Großes zu vollbringen und das Quantenzeitalter längst in greifbare Nähe gerückt ist.
IBM gehört zu den Unternehmen, die heute schon Rechenzeit auf ihren Quantencomputern anbieten– und die wird genutzt, beispielsweise vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM.
Quantenpower für unsere Stromversorgung
Denn nach einem „praxisrelevanten Problem, das Quantencomputer schneller und effizienter lösen können als herkömmliche Computer“ musste die Forschungsgruppe von Pascal Halffmann am Fraunhofer-Institut keineswegs lange suchen: Sie untersucht im Projekt EnerQuant, wie Quantencomputer helfen können, die Planbarkeit der Stromnachfrage und damit die Versorgungssicherheit zu erhöhen.
Unser Energiesystem ist hoch diversifiziert. Laut Angaben der Bundesnetzagentur sind über 219.500 Kraftwerke im deutschen Stromnetz. Dazu zählen Kohle-, Gas- und Wasserkraftwerke, aber auch eine stetig wachsende Zahl von Wind- und Solaranlagen, deren Leistung schwankt. Wenn so viele verschiedene Einzelerzeuger ihren Strom zu unterschiedlichen Zeiten ins Netz einspeisen, steigen Komplexität und Volatilität.
Das gilt nicht nur für die Angebotsseite, denn auch die Nachfrage nach Energie ist schwierig zu planen. Passen Angebot und Nachfrage aber nicht zusammen, drohen Engpässe, Stromausfälle, technische Schäden am Netz und hohe Strompreise. Mit Hilfe des so genannten Fundamentalmodells, in das Millionen einzelner Parameter einfließen, wird daher versucht, den Energiebedarf bestmöglich zu planen. Die korrekte Berechnung des Fundamentalmodells stößt jedoch aufgrund der steigenden Anzahl von Variablen und des zunehmenden Anteils der volatilen erneuerbaren Energien an Grenzen. Selbst die leistungsfähigsten Rechner können nicht das gesamte Netz simulieren.
Quantencomputer könnten helfen, die Berechnung des Fundamentalmodells zu optimieren
Quantencomputer könnten für diese Aufgabe, bei der es sich um ein klassisches Optimierungsproblem handelt, bald perfekt geeignet sein. Die Superposition und ein weiteres Phänomen der Quantenphysik, die Verschränkung der Qubits machen es möglich, denn die Ergebnisse sind immer Wahrscheinlichkeiten. Die Forscher vermuten, dass diese Effekte es erlauben, verschiedene Parameter des Fundamentalmodells gleichzeitig zu berechnen. Dadurch könnten dessen riesige Lösungsräume womöglich sehr viel schneller nach dem Optimum durchsucht werden.
Um ihre Hypothese zu verifizieren, testen die Forscher ein vereinfachtes Fundamentalmodell unter anderem auf einem IBM Quantum System One mit 27 Qubits, der Fraunhofer in Ehningen exklusiv zur Verfügung steht. So können sie das Potenzial von Quantum für die Verbesserung der energiewirtschaftlichen Modellierung nutzen. Das Projekt zeigt auf, wie Fundamentalmodelle formuliert werden, um die Rechenleistung von Quantensimulatoren einzusetzen. Zugleich liefert es eine Analyse des Potenzials von Quantencomputern für die Lösung von Optimierungsproblemen im Vergleich zu anderen Ansätzen.
Einen ausführlichen Text zum Projekt EnerQuant von Mandy Bartel von der Fraunhofer-Gesellschaft findet ihr hier.
Und was können Quantencomputer sonst noch so?
Quantencomputer werden auch für andere Arten von Optimierungsaufgaben wertvolle Dienste leisten, etwa
…die Quantensimulation von Molekülen und Materialien zur Beschleunigung von Entwicklungszeiten,
…die Optimierung von Verkehrsflüssen, um Staus zu vermeiden,
…die Suche nach neuen, geeigneten Wirkstoffen für Medikamente,
…die Verschlüsselung und Entschlüsselung von Daten mit quantenmechanischen Algorithmen.
Du outest dich als Nerd, wenn du …
*…beim Lesen dieses Absatzes sofort an Schrödingers Katze gedacht hast.
**…das Bedürfnis hast, direkt nochmal kurz bei Schrödingers Katze nachzulesen.
Picture Credit: Picture by IBM via Flickr