Wenige Themen zur deutschen Sprache haben die Gemüter in den letzten Jahren so sehr erhitzt, wie die Verwendung von gendergerechter Sprache. In der öffentlichen Debatte gehen die Meinungen dazu weit auseinander. Während die einen darin einen Aspekt für mehr Gendergerechtigkeit in unserer Gesellschaft sehen, machen sich die anderen Sorgen um die Lesbarkeit von Texten oder halten geschlechtergerechtere Sprache schlicht für überflüssig. Dabei ist der Nutzen von geschlechtergerechter Sprache nicht nur gut erforscht, sondern auch belegt. Unternehmen sollten sich also überlegen, wie sie mit dem Thema umgehen wollen – auch, weil sich seitens der Belegschaft Anfragen häufen, wie denn in der eigenen Organisation „eigentlich die offizielle Regelung dazu“ sei.
Gendergerechte Sprache ja oder nein?
- Die Forschung ist sich einig, dass Sprache Wirklichkeit schafft. Für Unternehmen, die Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion bereits als Teil des Leitbildes verstehen und ihr unternehmerisches Handeln aktiv danach ausrichten – etwa, weil es eine wichtige Rolle für den Talentpool spielt, – beantwortet sich die Frage damit von selbst.
- Umgekehrt könnte die Diskussion um die Einführung von gendergerechter Sprache ein Startpunkt sein, um sich als Organisation aktiver mit dem Thema Diversität auseinander zu setzen. Auch mit Blick auf jüngere Mitarbeiter:innen sowie aktuelle und zukünftige externe Stakeholders. In jedem Falle sollte die Entscheidung, ob und in welcher Form gendergerechte Sprache eingesetzt werden soll, mit den Unternehmenszielen zusammenpassen.
Ein Fall für die Profis der Unternehmenskommunikation
- Die Verwendung von gendergerechter Sprache ist ein Baustein, wenn es darum geht, Vielfalt in Bezug auf Geschlechter und LGBTQI+ voranzutreiben – neben vielen anderen Bausteinen für mehr Diversität. Besonders dem Personalbereich kommt beim Thema Vielfalt, Geschlechtergerechtigkeit und Inklusion eine wichtige Rolle zu. Die Unternehmenskommunikation hat eine unterstützende Funktion, um entsprechende Maßnahmen kommunikativ zu begleiten. Sie sollte maßgeblich daran beteiligt sein, ein verbindliches Konzept zur einheitlichen und gendergerechten Sprache in der Organisation einzuführen beziehungsweise bestehende und teils unterschiedlich verwendete Konzepte auf den Prüfstand zu stellen.
- Kommunikationsprofis haben die Aufgabe, relevante Fragen in die Diskussion einzubringen: Wie stehen wir als Unternehmen zu dem gesellschaftlichen Diskurs über gendergerechte Sprache? Welche Auswirkung hat unsere Sprache auf unsere Reputation? Was bedeutet die Verwendung gendergerechter Sprache für die Grammatik und den Stil unserer Texte?
- In der Praxis werden Kommunikator:innen gebraucht, wenn es darum geht, Mitarbeiter:innen zu sensibilisieren, über Hintergründe aufzuklären und sprachliche Guidelines mit konkreten Schreibweisen wie Unterstrich, Sternchen oder anderen nichtbinären Varianten festzulegen. Außerdem sollte die Kommunikationsabteilung Hilfestellung leisten, wenn es Fragen rund um die Anwendung gibt und Tipps bereithalten, wie man in Texten gendergerechte Sprache benutzen und damit „gut schreiben“ kann. Ziel ist es, dass alle mit den neuen Schreibweisen gut zurecht zu kommen und sie nicht als Belastung empfinden.
Damit Mitarbeiter:innen in Unternehmen und Organisationen gendergerechte Sprache für sich annehmen, sollte das Thema weder zu sehr politisiert noch zu streng gehandhabt werden, wenn nicht immer gleich alles ganz korrekt ist. Am Ende geht es darum, die Unternehmenssprache im Sinne der unternehmerischen Haltung und Positionierung für alle besser zu machen.
Interne Diskussion anregen und durchstarten
Kommunikationsprofis, die das Thema in ihrer Organisation anpacken wollen, sollten sich mit der Vielschichtigkeit in der öffentlichen Debatte auseinandersetzten. Einen guten Einstieg zum derzeitigen Stand gibt die aktuelle Titelgeschichte in Der Spiegel 10/2021 „Ist das noch Deutsch?“. Außerdem ist es wichtig, sich mit unterschiedlichen Schreibweisen und ihren Funktionen und Anwendungen vertraut zu machen. Eine Übersicht bietet unter anderem die Plattform Genderleicht. Dies sind schonmal gute erste Schritte, um die interne Diskussion zu starten. Von dort aus gilt es, in Abstimmung mit der Führungsebene den Kurs zu bestimmen, Maßnahmen und Materialien zu erarbeiten sowie die Mitarbeiter:innen ins Boot zu holen und zu befähigen mitzumachen.