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Kleinanleger vs. Hedgefonds-Manager – wie der Fall Gamestop die Kommunikation von börsennotierten Unternehmen beeinflussen könnte

Börsenthemen haben es in der allgemeinen Medienberichterstattung traditionell schwer, es sei denn, es ist etwas Außergewöhnliches vorgefallen. Schon aus diesem Grund war der Fall Gamestop, der es Ende Januar 2021 in die Schlagzeilen schaffte, etwas Besonderes. Die Frage ist nun: Stellte er auch eine Zäsur dar, vielleicht sogar eine Machtverschiebung?

Bevor wir dieser Frage nachgehen ein kurzer Überblick. Worum geht es eigentlich, und was war passiert? Das in Texas ansässige Unternehmen Gamestop vertreibt in seinen Ladengeschäften Video- und Computerspiele sowie Gamingzubehör. Das Unternehmen ist ein Veteran der Branche und – unter wechselnden Namen – bereits seit Mitte der 1980er Jahre am Markt. Seit etwa 2016 geriet das Unternehmen zunehmend in wirtschaftlich turbulente Fahrwasser. Gründe waren äußere Umstände wie der boomende Online-Handel und Video-Streaming-Angebote, dazu einige Geschichten über angeblich unsaubere oder zumindest kritische Geschäftspraktiken im Umgang mit Kund*innen sowie Mitarbeiter*innen. Dies zeigte sich auch im Börsenkurs. Notierte die Aktie noch im Oktober 2015 bei einem Kurs über 40 Dollar, sackte sie in den Folgejahren kontinuierlich nach unten, bis zu Kursen im einstelligen Bereich.

 

Unternehmen in Schwierigkeiten

 

Wie so häufig, wenn börsennotierte Unternehmen in Bedrängnis geraten, traten auch bei Gamestop Short Seller (Leerverkäufer) auf den Plan. Diese Aktionäre kaufen keine Aktien von Unternehmen, sondern leihen sich diese gegen Gebühr von Aktionären mit dem Versprechen, sie zu einem definierten Termin zurückzugeben. Die geliehenen Aktien werden anschließend weiterverkauft. Naht nun der Termin der Rückgabe an den ursprünglichen Eigentümer, hoffen Short Seller, die von ihnen verkaufte Aktie zu einem günstigeren Preis zurückkaufen zu können. Die Differenz zu Verkaufs- und Rückkaufspreis ist der Gewinn.

Short Seller proklamieren für sich häufig die Rolle des Korrektivs am Kapitalmarkt, indem sie Probleme bei Unternehmen identifizieren und somit übertrieben positiven Prognosen oder gar Blasen entgegenwirken. Zudem nutzen einige Hedgefonds-Strategien Short-Positionen zur Absicherung. Andere Stimmen dagegen stören sich an Profiten aus dem Niedergang eines Unternehmens und weisen auf Manipulationsmöglichkeiten hin.

 

Aufstand der Kleinanleger

 

Möglicherweise befeuerten gerade letztere Aspekte die Motivation von Kleinanlegern, im Falle Gamestop aktiv zu werden. Als bekannt wurde, dass namhafte Hedgefonds gegen einen Kursanstieg von Gamestop wetteten, fanden sich private Investoren auf der Web-Plattform Reddit zusammen und verabredeten, Aktien von Gamestop zu kaufen. Hohe Nachfrage aber bedeutet an der Börse automatisch steigende Preise, und damit verstrichen einige für Short-Positionen relevante Termine, ohne dass ein Kursverfall in Reichweite kam. Im Gegenteil: Die Kurse stiegen kurzfristig in irrationale Höhen. Für einige professionelle Investoren, die nun zu weit überhöhten Preisen rückkaufen mussten, bedeutete das ein gigantisches Verlustgeschäft.

War der Fall Gamestop ein einmaliger, oder macht ein solcher „Aktien-Flashmob“ künftig Schule? Ganz auszuschließen ist letzteres nicht. Denn blickt man auf den Fall Gamestop aus der Perspektive der sich verändernden Kommunikation dank Sozialer Medien, fragt man sich unwillkürlich: Warum erst jetzt? Die Mobilisierung unzähliger privater Spender*innen über Social Media hat bereits 2008 dazu beigetragen, Barack Obama ins Weiße Haus zu bringen. Jedes Jahr gibt es Momente, in denen sich Interessensgruppen über Social Media koordinieren, artikulieren und so möglicherweise gesellschaftlich relevante Bewegungen unterschiedlichster Zielrichtungen anstoßen. Einige gehen nicht nur viral, sondern greifen global um sich – von Occupy Wall Street über populistisch-reaktionäre Bewegungen in unterschiedlichen Ländern bis hin zu Fridays For Future.

 

Was tun?

 

Ausgenommen von dieser Entwicklung schienen bislang lediglich die Kapitalmärkte. Jetzt aber ist der Beweis erbracht, dass Kleinanleger mobilisierungsfähig sind und in der Masse auch institutionell akkumuliertes und strategisch eingesetztes Kapital ins Wanken bringen können. Eine Wiederholung scheint zu realistisch, um sie nicht in eine Planung miteinzubeziehen. Was also folgt daraus für die Kommunikation von Unternehmen? Meiner Meinung nach gibt es drei unmittelbare Lehren:

  1. Börsennotierte Unternehmen müssen ihre Monitoring-Tools für Social Media „fit“ machen, um Entwicklungen wie bei Gamestop zu antizipieren und gegebenenfalls mit Handelsplattformen oder ihren betreuenden Banken Kursturbulenzen einzubremsen.
  2. Es genügt nicht, allein Profi-Anlegern Rede und Antwort zu stehen oder gar, sich auf die vorgeschriebene Regelkommunikation zu verlassen. Transparenz, Konsistenz, Verständlichkeit und Geduld sind wichtige Zutaten für eine Kommunikationsstrategie, die auch Kleinanleger zufriedenstellt.
  3. Investor Relations und „klassische“ Corporate Communications müssen noch enger als bisher zusammenarbeiten. Allzu oft werden diese Abteilungen noch als getrennte Einheiten geführt, ein inhaltlicher interner Austausch kaum initiiert. Vorgebrachte Rechtfertigungen (wie etwa erhöhte Vertraulichkeit) halten einer genauen Überprüfung nur selten Stand. Im Sinne einer übergreifenden Kommunikationsstrategie ist eine stärkere Verschränkung aller mit Kommunikation befasster Einheiten dringend anzuraten.

 


Bild Credits: Banner – Unsplash under Creative Commons Zero Licence