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Earth Day 2021: Jeder Bissen zählt, aber zu welchem Preis?

Seit mehr als 50 Jahren wird am 22. April der Earth Day als Aktionstag zum Schutz der Umwelt begangen. Zunächst nur in den USA auf Initiative eines Senators eingeführt, um Menschen anzuregen, über ihre persönliche Umweltbelastung nachzudenken, hat sich seit 1990 dieses Datum auch als internationaler Gedenktag etabliert.

Das globale Motto in diesem Jahr lautet „Restore Our Earth“ und wird mit einigem Kommunikationsfeuerwerk umrahmt. Auf der Website zum diesjährigen Earth Day findet vom 20. – 22. April ein Dreitages-Event statt – parallel übrigens zu einem Klimagipfel der Biden-Administration. Die NASA bietet für jedermann einen Klimachat mit den ISS-Besatzungsmitgliedern an. Und wir dürfen uns schon wie in den letzten 20 Jahren auf einen Google-Doodle zum Earth Day freuen.

 

Klimaschutz – wenn jeder Bissen zählt

 

Die deutsche Organisation hat für Deutschland das Motto „Jeder Bissen zählt“ ausgerufen. Damit steht hierzulande das Thema Ernährung im besonderen Fokus mit den Schwerpunkten Bio, Regional und Fair – mit Blick auch auf die „Farm to Fork“- Ambitionen im Rahmen des Green Deals der EU-Kommission ein lohender Fokus.

Pünktlich zum Earth Day hat Statista im April 2021 seinen „Sustainable Consumption Report“ veröffentlicht, der zur Bereitschaft der Deutschen, durch Konsumentscheidungen nachhaltige Veränderung zu bewirken, erkenntnisreiche Zahlen bereithält für die Kategorie Food, Beauty, Fashion und eCommerce.

Grundsätzlich erkennt ca. die Hälfte der Befragten über alle Kategorien, dass sie als Konsumenten (übrigens mehr als Regierungen und Unternehmen als verantwortlich empfunden werden) einen Beitrag leisten können, Umweltprobleme zu lösen. Betrachtet man nun den Foodbereich mit Blick auf das Motto „Jeder Bissen zählt“ im Detail, ist allerdings nur noch für knapp 1/3 der Konsumenten Nachhaltigkeit/Umweltfreundlichkeit ein Kaufkriterium, weit nachrangig hinter Geschmack, Qualität und Preis (jeweils für mehr als 60% kaufentscheidend). Die zentrale Barriere ist hierbei der Preis: 40% der Konsumenten empfinden nachhaltige Lebensmittel zu teuer.

 

Alles eine Frage des Preises?

 

Es scheint: nachhaltige Lebensmittel müssen erschwinglicher werden. Interessant ist in dem Zusammenhang die Zuschreibung von Nachhaltigkeit zu Lebensmittel-Handelsketten. Neben den „Spezialisten“ in der Bio-Nische punkten von den Vollsortimentern aktuell vor allem Edeka und Rewe sowohl auf Dach- als auch auf Handelsmarkenebene. Trotz großer Bemühungen in den letzten Jahren gelingt es z.B. weder ALDI noch LIDL hier eine spürbare Nachhaltigkeitswahrnehmung zu erzielen und somit im Discount-Segment der Preisbarriere substantiell entgegenzuwirken.

Trotz mutmaßlich geringerem verfügbaren Einkommen gibt jedoch gerade die jüngere Zielgruppe zwischen 16-29 Jahren Anlass zur Hoffnung, dass Konsum Steuerungsimpulse setzen kann. Deutlich häufiger als ältere Kohorten probieren sie aus einer Nachhaltigkeitsmotivation heraus neue Geschäfte aus (33%), ändern Kaufverhalten (32%) oder boykottieren gar Marken oder Geschäfte (15%).

 

„True Costs“ – man zahlt nicht nur an der Supermarktkasse

 

Betrachtet man allerdings die Nahrungsmittelproduktion insgesamt, so sind diese Konsumhandlungen vermutlich noch ein Tropfen auf dem immer heißer werdenden Stein. Unter dem Stichwort „True Costs“ werden seit einiger Zeit Diskussionen über die Vollkosten der Lebensmittel geführt. Laut dieser Rechnung bezahlen Konsumenten bis zu 4x einen Preis für Nahrungsmittel. Zunächst an der Supermarktkasse – dort sind Lebensmittel gerade in Deutschland (trotz der oben zitierten Diskussion) weiterhin sehr günstig. Ein zweites Mal bezahlen wir die Reparaturkosten für die Umweltfolgen der Nahrungsmittelproduktion – z.B. in Form von intensiver Reinigung des von Pestizideinsatz verschmutztem Grundwassers. Ein dritter Preis sind die gestiegenen Versicherungskosten in Folge schlechter Ernährung. Und ein viertes Mal bezahlt die Welt für z.B. die Versteppung von Landwirtschaftsflächen als Konsequenz globaler Erwärmung, die u.a. Hungersnöte und Migration verursachen.

Es wird deutlich: die Nahrungsindustrie ist eine Schlüsselbranche zur Bekämpfung des Klimawandels. Eine aktuelle Studie von Roland Berger zeigt: es bedarf massiver Anstrengungen aller Stakeholder, von politischen Entscheidern über Hersteller und Handel, Landwirtschaft und Konsumenten, um eine stärker nachhaltige Nahrungskette zu erzeugen. Stärkere Lokalisierung, Smart Farming, die Vermeidung von Food Waste/Loss und eine Weiterentwicklung der Ernährungsgewohnheiten sind nur einige Stellgrößen einer transformierenden Industrie.

Das Motto des Earth Day 2021 macht viel Sinn: Jeder Bissen zählt – und die Diskussion führen wir insbesondere über den Preis und die Gesamtkosten von jedem Bissen.

 


Bild Credits: Banner – Unsplash under Creative Commons Zero Licence