In ihrem vorherigen Beitrag hat unsere Kollegin Evelyn Dietert, die als Recruiter* für die Personalauswahl, das Onboarding und das Hochschulmarketing für Weber Shandwick Deutschland zuständig ist, viele verschiedene Trends im Recruiting beleuchtet. Es wurde deutlich: Sowohl im passiven als auch im aktiven Recruiting hat sich in den letzten Jahren (und noch viel mehr in den letzten Jahrzehnten) enorm viel bewegt. Aber was macht das mit der Rolle des Recruiters? Welche Kompetenzen waren gestern, sind heute und werden morgen noch gefragt sein?
Recruiter in der Vergangenheit – Der Verwalter
Wenn man auf die Ursprünge des Recruitings schaut, so stammt der Begriff „Rekrutierung“ eigentlich aus dem Militär, das Soldaten anwerben wollte. Über die Jahrhunderte hat sich das Thema natürlich weiterentwickelt und nahm im Laufe der Industrialisierung erstmals richtig an Fahrt auf. Einer der ersten Recruiting-Kanäle war ganz klassisch die Zeitung. Auch heute gibt es noch Unternehmen, die ihre Stellen über Printmedien schalten. Ein Recruiter hatte die Aufgabe, das richtige Medium auszuwählen – und dann auf Bewerbungen zu warten, sie zu screenen und an die richtigen Stellen weiterzuleiten.
Und was ist jetzt der Unterschied zu heute?
Berechtigte Frage, gehört passives Recruiting ja noch immer zum Standard-Repertoire eines jeden Recruiters. Allerdings beschreibt die Rolle des Recruiters in der Vergangenheit eigentlich auch ganz gut – passiv. Klar, es gab auch früher schon Karrieremessen oder Veranstaltungen. Aber bevor es das Internet gab (bzw. bevor es DAS Massenmedium überhaupt wurde), war die Rolle des Recruiters eben nicht unbedingt so aktiv, wie sie es heute ist. Ein Recruiter hat sich auch nicht nur um Recruiting gekümmert: Oft hingen auch sehr viele andere Aufgaben mit dran, insbesondere administrative Aufgaben wie beispielsweise die Lohnbuchhaltung oder Vertragserstellung. Heute wird das oft getrennt, insbesondere in den letzten Jahren wurde das gesamte HR-Feld noch spezialisierter – der Recruiter von heute war geboren.
Die Rolle des Recruiters heute – Hunter & Farmer
Ich will gar nicht sagen, dass passives Recruiting heute nicht mehr dazu gehört. Auch heute, wie bereits in meinem vorherigen Artikel beschrieben, spielt das noch eine große Rolle – mal mehr und mal weniger. Dennoch hat sich der Beruf des Recruiters, insbesondere durch das Internet, die Spezialisierung und durch das, was wir soziale Medien nennen, gewandelt.
Zum einen ist der Recruiter heute ein Hunter und „jagt“ die besten Kandidaten. Das klingt zunächst vielleicht ziemlich aggressiv, trifft es aber, besonders vor dem Hintergrund des vielbeschworenen „War for Talents“, im Kern der Sache. Heute haben wir Recruiter eine deutlich aktivere Rolle – es gibt unendlich viele Möglichkeiten, on & offline Stellenangebote zu veröffentlichen und ich muss herausfinden, welche die auf die Stelle passendsten Möglichkeiten sind. Ich spreche Kandidaten aktiv in Karrierenetzwerken wie Xing oder LinkedIN an, spreche mit ihnen und „pitche“ die Stelle und mein Unternehmen. Das bedeutet, Recruiter müssen heute eine Art „Vertriebsgen“ besitzen. Ich verkaufe keine Produkte und Dienstleistungen, sondern einen Job. Der Kandidat entscheidet hiernach, ob er diese Stelle „kaufen“ will. Das bedeutet nicht, dass das Unternehmen gar keine Wahl hat. Es bedeutet nur, dass der Kandidat heute eine deutlich höhere Stellung, ja sogar Macht, als früher innehat.
Ein Recruiter ist aber auch Farmer – und nein, das hat in diesem Fall nichts mit Landwirtschaft zu tun. Der Begriff kommt tatsächlich aus dem Vertrieb und beschreibt im Prinzip den Kundenbetreuer von Bestandskunden – ohne den Akquise-Part, den der Hunter einnimmt. Ich bin Netzwerker, verknüpfe mich über verschiedene Kanäle mit Kandidaten und begleite sie durch Auswahlprozesse. Aber was, wenn der Prozess vorbei ist und wir uns vielleicht gar nicht für den Kandidaten entschieden haben? Dann werden wir zum Farmer – oder anders gesagt: Wir betreiben Beziehungsmanagement. Es ist wichtig, mit Talenten weiterhin regelmäßig in Kontakt zu bleiben, auch wenn es vielleicht an der Stelle nicht gleich mit dem Job geklappt hat.
Früher wie heute ist der Recruiter auch Dienstleister im Unternehmen – nicht nur zur Kandidatenseite. Ich arbeite mit den Führungskräften zusammen, die im Einstellungsprozess das letzte Wort haben. Das bedeutet, dass meine Überzeugungsarbeit auch beim Pitch eines Kandidaten gegenüber eines Vorgesetzten gefragt wird.
Für den einen oder anderen Leser mag dies so klingen, als würde ich Kandidaten wie auch Führungskräften das Blaue vom Himmel verspreche, nach dem Motto „Hauptsache die Stelle ist besetzt“. Diese Leser darf ich beruhigen – so ist es nämlich nicht! Denn was bringt dem Recruiter am Ende eine besetzte Stelle, wenn es doch eigentlich gar nicht so passt und der Kandidat in der Probezeit wieder weg ist?
Was bringt es, auch den Führungskräften alles in schillernden Farben zu erzählen, und sie erkennen im Gespräch mit den Kandidaten nur blau und rot? Das würde nicht nur Kosten nach sich ziehen, auch wir Recruiter würden massiv an Glaubwürdigkeit verlieren – bei Kandidaten wie bei Führungskräften gleichermaßen. Wenn man es ganz auf die Spitze treiben will, kann das das Arbeitgeberimage im Markt gefährden: ein Teufelskreis.
Ich vertrete daher die Meinung, dass Authentizität wichtig ist. Das heißt, ich verschweige keine negativen Punkte, betreibe keine Schönmalerei, sondern versuche, Kandidaten ein realistisches Bild zu geben, wie es ist, bei uns zu arbeiten, und den Führungskräften ein realistisches Bild des Kandidaten zu liefern.
Und natürlich möchte ich beide Seiten zusammenbringen – aber nicht auf Teufel komm raus. Qualität vor Quantität – das gilt nicht nur für unsere Kundenarbeit, sondern auch im Recruiting.
Recruiter von Morgen – Der Analyst
Früher eher administrativ, passiv und verwaltend tätig – heute als Netzwerker, Beziehungsmanager, Marketing und Sales Manager – und in Zukunft? Wie wird sich der Beruf des Recruiters verändern?
Nun, noch ist das alles Kaffeesatzleserei – denn in die Zukunft kann niemand schauen. Ich sehe allerdings Tendenzen, von denen ich glaube, sogar fest überzeugt bin, dass sie uns so schnell nicht verlassen werden.
Wie in meinem letzten Blogartikel beschrieben, nimmt das Thema Datenanalyse schon heute einen hohen Stellenwert ein. Jeder hinterlässt einen digitalen Fußabdruck – na gut, sagen wir mal, fast jeder. Das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass fast jeder eine digitale Identität hat. Ich als Recruiter kann auf vielen verschiedenen Plattformen Daten über eine Person sammeln, die mir für die Auswahl wichtig erscheinen. Insbesondere das Xing- oder LinkedIn-Profil ist dafür sehr hilfreich, ist es doch im Prinzip der digitale Lebenslauf des Kandidaten. Die mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten Tools, die diese Arbeiten in einem Bruchteil der Zeit schaffen werden, verändern jedoch auch meinen Arbeitsalltag in der Zukunft.
Und wie genau? Doch zurück zum passiven Recruiting?
Ich glaube nicht, dass ich das aktive Recruiting in Zukunft komplett abgeben werde, auch wenn viele Tools es heute schon für mich übernehmen könnten und es in Zukunft noch besser können werden. Aber der persönliche Kontakt wird nicht ersetzt werden können, von keiner Maschine der Welt, davon bin ich überzeugt. Meine Rolle als Beziehungsmanager wird mir vermutlich erhalten bleiben.
Was sich verändern wird, ist die Art, wie ich zu den persönlichen Kontakten komme. Ich werde diejenige sein, die die Tools bedient, der Maschine Feedback für eine optimiertere Kandidatenauswahl gibt und Ergebnisse auswertet.
Schon heute spielen KPIs wie „Time to Hire“ oder „Cost per Hire“ eine große Rolle im Recruiting-Prozess, doch in Zukunft wird ein noch größerer Schwerpunkt darauf liegen. Ich werde also nicht mehr den Big-Data-Dschungel händisch durchsuchen müssen – das macht ja das Tool für mich – sondern werde mich darauf konzentrieren, die Effizienz des Prozesses zu erhöhen, Zahlen auszuwerten und bleibe der persönliche Kontaktpunkt zum Kandidaten.
Wird mir mein Job also „weg-digitalisiert“? Ich bin der Meinung: Nein. Natürlich wird sich auch mein Aufgabenfeld verändern. Es wäre naiv zu glauben, ich könnte jahrzehntelang immer dasselbe machen. Und genau das ist es ja auch, was den Job so spannend macht – er ist im stetigen Wandel, im Zeitalter der Digitalisierung kommen Veränderungen nur in schnelleren Schritten. Ich nehme diese aber positiv wahr, weil sie mir in meiner Arbeit helfen, mich unterstützen und mir zeigen, was das Wesentliche ist – der Kontakt zu den Menschen, mit denen ich zusammenarbeite. Das war früher, ist heute und wird auch morgen noch der wichtigste Teil meiner Arbeit sein.
Und da auch der Job-Futuromat mir eine sichere Zukunft verspricht, in der mein Beruf nicht einfach durch die Digitalisierung wegfallen wird, schaue ich dem Ganzen einfach mal positiv und gelassen entgegen.
Aktuelle Informationen über eine Karriere bei Weber Shandwick gibt es hier:
https://webershandwick.de/karriere/
*Zur einfacheren Lesbarkeit wird die männliche Form für alle Personen oder Personengruppen genutzt, selbstverständlich bezieht das gleichermaßen auch Frauen mit ein.