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Es war einmal… tschüß, liebe CeBIT! Ein Nachruf

„Es war einmal“ – so beginnen Märchen und meist kann man sicher sein, dass sie gut enden. In diesem Fall ist das nicht so. Es war einmal die größte und wichtigste Messe der Welt und gerade wurde sie schmählich zu Grabe getragen. Die Rede ist natürlich von der CeBIT, dem Messemoloch in Hannover, von dem jeder PR-Berater im IT- und Technologieumfeld legendäre Geschichten zu berichten hat: von eskalierenden Standparties, ausgebuchten Hotels, heillos überfüllten ICEs (ja, kleinere Menschen passen durchaus in die Gepäckablagen) und abenteuerlichen Übernachtungen in den überteuert vermieteten Kinder- und Jugendzimmern Hannovers. Und dann das berüchtigte CeBIT-Wetter: in den Hallen war es heiß, draußen hat es wahlweise geregnet oder geschneit und nach der Messe waren alle krank. Trotz all dieser Widrigkeiten: Mit ca. 830.000 Besuchern erreichte sie im Jahr 2001 ihren Besucherhöchststand.

CeBIT – nur noch ein Schatten ihrer selbst

2018 strömten trotz eines wieder einmal neuen Messekonzeptes nur noch 120.000 Besucher und etwa 2.800 Aussteller auf die Messe. Strömten? Man muss wohl eher sagen sie tröpfelten – und so sah es auf dem Messegelände auch aus. Die Besucher verloren sich fast in den Hallen und zu den Stoßzeiten mittags sah es meistens so aus wie ein früheren Zeiten kurz vor Toresschluss, wenn die letzten Besucher in ihr Hotel oder zu den verlässlich ausufernden CeBIT-Parties aufbrachen. Die CEBIT (wie sie nun buchstabiert werden wollte) war im Jahr 2018 nur noch ein Schatten ihrer selbst. Und dafür gab es eine Reihe von Gründen. 1970 als „Centrum der Büro- und Informationstechnik“ in der Halle 1 auf der Hannover Messe gegründet, verstand sie sich von Anfang an als B2B-Messe, auf der sich Unternehmen über die neuesten Trends der Büro- und Informationstechnik informieren sollten.

Das Konzept ging auch lange Zeit auf – schließlich waren Computer und die benötigten Peripherie-Geräte damals ein relativ dröges Thema, das eh nur Profis und eingefleischte Nerds interessierte. Und hässlich wie die Nacht waren die Kisten obendrein. Natürlich bis auf die damals schon recht hübsch anzuschauenden Apple Macintosh-Rechner, aber das ist eine andere Geschichte. Um die Jahrtausendwende begann die CeBIT dann aber mehr und mehr, wichtige Trends zu verschlafen. Consumer-IT und Unterhaltungselektronik hatten ab ca. Mitte/Ende der 1990er Jahre begonnen, eine immer wichtigere Rolle zu spielen. Und immer mehr Privatleute, IT-Fans, Technikfreaks pilgerten nach Hannover, um sich zu informieren und Spaß zu haben. Auf der CeBIT 1995 stellte Bill Gates zum Beispiel Windows 95 vor, was Privat- wie Unternehmenskunden gleichermaßen begeisterte.

David vs. Goliath

Problematisch wurde es, als 3D-Grafikkarten, Spielkonsolen und die boomenden Computerspiele immer breiteren Raum einnehmen wollten – der ihnen schlicht verweigert wurde, weil die Messe auf B2B-Kunden setzen wollte. Der Start von Microsofts erster Xbox auf der CeBIT 2002 wurde von der Messeleitung fast schon boykottiert, was das Unternehmen der CeBIT nie so ganz verziehen hat. Und anderen erging es ähnlich. Das Ergebnis: Immer mehr Consumer-IT- und Consumer-Elektronik-Anbieter wanderten zu anderen Messen ab, denn es gab mittlerweile genug Alternativen. Mobilfunkanbieter und Handyhersteller trafen sich ab 2006 lieber auf dem Mobile World Congress im schicken Barcelona (vorher als 3GSM World Congress im mondänen Cannes beheimatet), die IFA im coolen Berlin etablierte sich als Leitmesse für die Consumer-Elektronik und intelligente Haushaltsgeräte, und der Aufstieg der CES in der kuschelig warmen Zockermetropole Las Vegas sowie der Computex in Taiwan setzten der CeBIT immer stärker zu.

Auch der CeBIT-Termin direkt nach CES und MWC machte der Messe zu schaffen, denn die heißen News wurden dort schon vorgestellt. Nach dem Besucherhöhepunkt 2001 kannten die Besucherzahlen deshalb nur noch eine Richtung: nach unten, und zwar rasant. Innerhalb von nur fünf Jahren verlor die Messe fast die Hälfte ihrer einstmals 830.000 Besucher. Alle Konzeptwechsel halfen nichts und auch die Konzentration auf Unternehmenskunden ab 2013 brachte: nichts.

Das machte sich auch in unserem Geschäft bemerkbar. Irgendwann in den späten Nullerjahren brauchten immer weniger unserer Kunden Unterstützung auf oder rund um die CeBIT. Die großen Pressekonferenzen, das Füllen von Pressemappen und Bespielen von USB-Sticks hatten ein Ende. Es gab vielleicht noch ein paar Pressemitteilungen, ein paar Interviewtermine auf der Messe und das war’s dann. Das ging nicht von heute auf morgen, sondern war ein schleichender Prozess. Aber er zeigt, dass die Messeleitung einfach kein Konzept fand, um den Niedergang aufzuhalten. Die bunten, coolen Consumer-Sachen, die Besuchermassen anlockten, hatten sie erfolgreich vergrätzt.

Der traurige Rest

Und nun saßen sie von Jahr zu Jahr einsamer und trauriger auf ihrem Messegelände und trauerten den alten Zeiten nach. Aber die kamen einfach nicht wieder. Und auch das neueste Konzept in diesem Jahr, das der CEBIT neben einem neuen, attraktiveren Termin im Sommer (siehe oben: Wetter! Abstand zu CES und MWC!) endlich wieder Eventcharakter geben sollte, zeigte nur: Es war zu spät. Da halfen weder das Riesenrad von SAP, noch die Food-Trucks (okay, die Pommes waren in der Tat erstaunlich gut), noch das Konzert von Hip-Hopper Jan Delay auf dem sogenannten d!campus des Messegeländes.

Die trendigen Start-ups, IT-Hipster und Nerds tummeln sich mittlerweile lieber auf der SXSW in Austin, der IFA geht es auch ganz gut, die Mobilfunker feiern immer noch lieber auf dem MWC und die großen IT-Konzerne veranstalten große Hausmessen, auf denen sie selber im Mittelpunkt stehen. Für die CEBIT blieb nur der traurige Rest – und der reichte einfach nicht. Deshalb zog die Messeleitung diese Woche den Schlussstrich, nachdem sich noch einmal deutlich weniger Aussteller für 2019 angekündigt hatten. Und nun heißt es: Es war einmal… wie schade um die gute alte Tante CEBIT!

Bildcredits: by Photomat via pixabay.com under CC0-Licence