Der Klimawandel hat viele Gesichter. Seine hässlichste Fratze zeigt er aktuell vor allem in den ärmsten Ländern der Erde, aber auch in Europa bekommen wir sie längst zu sehen: Hitzewellen, Dürreperioden und Flutkatastrophen nehmen zu und die Auswirkungen werden immer extremer. Ein Ende? Nicht in Sicht. Nur der Anfang? Mit höchster Wahrscheinlichkeit.
Schon in einer Studie von 2007 (!) warnte Greenpeace davor, dass es bis 2040 rund 200 Millionen Klimaflüchtlinge geben könnte. Von der Politik wurde diese Entwicklung damals noch wenig beachtet. Dabei lösen Naturkatastrophen mehr als dreimal so viele Vertreibungen aus wie Konflikte und Gewalt, bestätigt die UNO Flüchtlingshilfe.
Auch der aktuelle IPCC-Bericht zeichnet ein düsteres Bild und gibt dennoch Hoffnung: Wir (Politik, Unternehmen, Privatpersonen) müssen sofort ins Handeln kommen und drastische Maßnahmen umsetzen, um die „Klima-Zeitbombe zu entschärfen“, so UN-Generalsekretär António Guterres. Der IPCC-Bericht sei dabei ein „Überlebensleitfaden für die Menschheit“.
Der Klimawandel gendert
Der Klimawandel betrifft alle Menschen, aber er trifft nicht alle gleichermaßen. In vielen Teilen der Erde sind Frauen und Mädchen in besonderem Maße von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Extreme Wetterereignisse bedrohen Frauen und Kinder unmittelbar stärker als Männer. Laut UN „sterben Frauen und Kinder bei einer Katastrophe mit 14-mal höherer Wahrscheinlichkeit als Männer, unter anderem weil sie später gewarnt werden, seltener schwimmen können und sich auf der Flucht um Angehörige kümmern.“ Auch das liegt unter anderem in traditionellen Rollenzuschreibungen begründet.
Da sie oft für die Nahrungsmittelproduktion und die Wasserversorgung ihrer Familien verantwortlich sind, leiden Frauen häufiger unter den direkten Folgen von Dürren und Überschwemmungen. Das mag vor allem auf Frauen im globalen Süden zutreffen, aber gesundheitlich sind Frauen grundsätzlich drastischer von den Auswirkungen der Erderwärmung betroffen: So leiden sie häufiger als Männer an Hitzesymptomen wie Kopfschmerzen, Leistungsabfall oder Schlaflosigkeit. Schwangerschaftskomplikationen, wie etwa Frühgeburten, entstehen vermehrt während Hitzewellen.
Und auch das sind Fakten: Weltweit sind Frauen stärker von Armut betroffen und verfügen über weniger Geld und Besitz als Männer. Und auch sexualisierte Gewalt, häusliche Gewalt, Kinderheirat und Menschenhandel werden durch Klimakatastrophen verstärkt, unter anderem, weil Bildungsmöglichkeiten eingeschränkt werden, Fluchtbewegungen zunehmen und der finanzielle Druck steigt.
Geschlechtsspezifische Gewalt im Zusammenhang mit dem Klimawandel trifft auch Aktivistinnen. Sie werden bedroht, verfolgt, nicht selten erfahren sie körperliche Gewalt, werden vergewaltigt oder verschleppt. So sollen sie eingeschüchtert und daran gehindert werden, sich für ihre eigenen Rechte und umweltpolitische Belange einzusetzen.
Auch beim Impact, den ein Mensch auf den Klimawandel hat, macht das binäre Geschlecht einen Unterschied. Männer tragen stärker zum Klimawandel bei. Zu diesem Schluss kam eine schwedische Studie in 2021. Hauptgrund ist, dass Männer mehr Geld für treibhausgasintensive Produkte wie Benzin und Diesel ausgeben, Frauen hingegen eher klimafreundlichere Produkte kaufen. Zwar stammen die Daten der Studie aus 2012, aber eine gravierende Verhaltensänderung in den letzten Jahren, so die Studienleiterin, sei höchst unwahrscheinlich.
Gleichberechtigende Klimapolitik
Im selben Jahr, wie die Erhebung der Daten oben zitierten Studie, wurde auch das Thema „Gender und Klima“ fester Tagesordnungspunkt der UN-Klimakonferenzen. Auf der 25. Klimakonferenz in Madrid 2019 einigten sich die Staaten auf den zweiten Gender Action Plan (GAP). Sein Ziel: Frauen in allen Ebenen der Klimapolitik gleichberechtigt einzubinden – in Institutionen, aber auch in einzelnen Klimaschutzprojekten. Strukturelle Ungleichheiten aufgrund des Geschlechts sollen abgebaut werden.
Geschafft hat das insbesondere die Klimabewegung. Die bekanntesten Gesichter der Klimaaktivisten sind junge Frauen. Angefangen bei der Schwedin Greta Thunberg, Luisa Neubauer in Deutschland, Mitzi Tan von den Philippinen,Vanessa Nakate aus Uganda oder Lena Schilling und Martha Krumpeck, die die Stimmen der Klimaproteste in Österreich sind – um nur einige zu nennen.
Klimaprotest = Weiblicher Protest
Es sind nicht nur die prominenten Vertreterinnen, sondern auch in der Mehrheit Mädchen und junge Frauen, die gegen die aktuelle Klimapolitik auf die Straße gehen. Das belegen auch Demonstrationsbefragungen von Protestforscher:innen in insgesamt 13 verschiedenen europäischen Städten. In allen Ländern zusammengenommen lag der Frauenanteil bei „Fridays for Future“-Demonstrationen bei 58 Prozent.
In der Vergangenheit waren viele historisch gewachsene Protestbewegungen, zum Beispiel die Arbeiterbewegung, eher männlich geprägt. Einen Frauenanteil, wie bei den „Fridays for Future“ Demos, gibt es sonst nur bei Themen, die in erster Linie Frauen betreffen, z. B. bei Protesten gegen Paragraf 219a, erklärt Soziologe Moritz Sommer vom Institut für Protest- und Bewegungsforschung.
Aber warum sind es gerade Mädchen und Frauen, die sich besonders stark engagieren? Ein naheliegender Grund ist, dass die prominenten Vorbilder im Klimaprotest jung und weiblich sind. Mädchen und junge Frauen fühlen sich angesprochen, können und wollen sich mit den Leitfiguren identifizieren, fühlen sich von ihnen motiviert und werden deshalb aktiv. Zudem gehören die Mädchen und Frauen, die auf die Straße gehen, zu einer emanzipierten Generation. Tatsächlich gleicht sich der Geschlechteranteil bei Protesten bereits seit den 70er Jahren an.
Ein weiterer möglicher Grund ist die unmittelbare Betroffenheit. Wie dargestellt, spüren Frauen und andere benachteiligte Gruppen die Auswirkungen der Klimakatastrophe stärker, als es Männer (noch) tun. Das stärkere Problembewusstsein für die Konsequenzen des Klimawandels kann eine stärkere Motivation zufolge haben.
Aus Kommunikationsberaterinnen-Sicht ist vor allem diese Aussage im Zusammenhang mit Frauen in der Klimabewegung spannend: Luisa Neubauer sagt, es gebe sehr viele Menschen, die viel Zeit in die Organisation der Proteste investieren. Natürlich seien da auch Männer dabei, „aber besonders wenn es um Medienpräsenz geht, stellen wir auf jeden Fall nicht mehr die Männer nach vorn.“
Die Klimabewegung setzt es sich auch zum Ziel, Frauen zu empowern, indem sie explizit gefördert werden. Bei „Ende Gelände“ gab es zum Beispiel zunächst zwei Pressesprecher:innenposten. Einer war männlich besetzt, der andere weiblich. Als eine Medienanalyse ergab, dass trotz gleichgroßem Redeanteil der männliche Sprecher häufiger in den Medien zitiert wurde, war die Konsequenz klar. Pressesprecherinnen werden erstmal nur Frauen. Damit ist deren mediale Präsenz gesichert und feministische Sichtweisen finden statt. (Mittlerweile gibt es wieder eine klassische Doppelspitze).
Zukunft passiert nicht, sie wird immer gestaltet
Alle Aspekte der Klimakrise haben eine Gender-Dimension. Das gilt sowohl für den anteiligen Beitrag und die Auswirkungen auf das Klima als auch für die Beteiligung an Lösungen zur Eindämmung der Klimakrise. Daher liegt es auf der Hand, dass wir unbedingt feministische Sicht- und Herangehensweisen brauchen, um dieser globalen Krise, die am Ende uns alle trifft, mit der ganzen Kraft und allen Möglichkeiten zu begegnen.
In der jüngst veröffentlichte Naturbewusstseinsstudie, die das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Naturschutz Ende März vorstellten, geben „88 Prozent der Jugendlichen [und 86 Prozent der Erwachsenen] in Deutschland [an], einen umfassenden gesellschaftlichen Wandel für notwendig [zu halten], um die weltweite Natur-, Umwelt- und Klimakrise aufzuhalten“, so BfN-Präsidentin Sabine Riewenherm. Die Befragten sagten auch, „dass sie persönlich dazu bereit [seien], diesen gesellschaftlichen Wandel aktiv durch einen nachhaltigen und naturverträglichen Lebensstil mitzutragen.“
Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit sind fundamentale Pfeiler einer nachhaltigen Welt. Deshalb müssen die Perspektiven von Frauen und marginalisierten Gruppen in die aktive Gestaltung des Wandels hin zu einem nachhaltigeren Lebensstil einbezogen werden. In den Leitlinien der feministischen Außen- und Sicherheitspolitik wird die dringende Notwendigkeit insbesondere in der Klimaaußenpolitik deutlich gemacht.
Es liegt auch in der Verantwortung von Privatpersonen, Aktivist:innen und insbesondere Institutionen und als auch Unternehmen, Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit voranzutreiben. Unternehmerische Verantwortung bedeutet eben auch, gendergerecht zu agieren, auf allen Ebenen der Unternehmensstrategie. Denn Zukunft passiert nicht einfach, sie wird immer gestaltet.