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„Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg“ – Nachhaltigkeit und Sport

Viele aktuelle Debatten im Bereich Nachhaltigkeit beschäftigen sich mit der Frage, wie wir effiziente und starke Hebel für die Veränderungsaufgaben unserer Zeit finden. Schlagworte wie „Consumer Empowerment“ (https://www.europarl.europa.eu/thinktank/en/document/EPRS_BRI(2022)733543) deuten an, wie vor allem die Beteiligung großer Bevölkerungsgruppen entscheidende Impulse zum Erreichen von Klimazielen leisten kann. Ein Bereich, der jedes Wochenende Millionen von Menschen in seinen Bann zieht, wird dabei unserer Ansicht nach noch deutlich zu wenig genutzt, um für Nachhaltigkeitsziele zu begeistern: der Sport. Anlässlich des „International Day of Sports for Development & Freedom“, am heutigen 6. April beleuchten wir einige Aspekte mit erheblichem Potential vor allem in 2024. Im Blick: Sportveranstalter, Sponsoren und die Publika im Sportumfeld.

„Von Spiel zu Spiel denken“ – das Supersportjahr 2024

Noch 500 Tage bis zum Weltrekord – im Januar 2024 fällt in Nordrhein-Westfalen der Startschuss für das „Supersportjahr“ 2024. Am 10. Januar findet das Eröffnungsspiel der Handball Europameisterschaft der Männer in der Merkur Spiel-Arena in Düsseldorf statt, vor erwarteten 50.000 Zuschauern live vor Ort –Weltrekord.  

Nach der EM bleiben den Veranstaltungsorten nur wenig Zeit, sich von den tausenden Handballfans zu erholen, denn bereits im Juni steht das nächste, noch größere Sportevent ins Haus: Die Fußball EM der Herren. Rund einen Monat lang messen sich 24 Teams in zehn Stadien, verteilt über ganz Fußballdeutschland. Im Anschluss an die Fußball-EM müssen sich die Fans, die noch nicht genug von Jubeln, Mitfiebern und Daumen drücken haben, beeilen, um den unumstrittenen Höhepunkt des Sportjahres nicht zu verpassen. Nur 12 Tage nach dem Finale der Fußball-EM findet die Eröffnungsfeier der 32. Olympischen Sommerspiele in Paris statt. Das größte Event, was der Weltsport zu bieten hat.

„Ganz großes Tennis“ – Über zehn Millionen Zuschauer in Stadien

Allein EM und Olympia erwarten in sechs Wochen über zehn Millionen Zuschauer in den Stadien. Menschen, die nicht nur ein- und ausreisen müssen, sondern auch zwischen den Sportstätten pendeln, in Hotels übernachten und in Restaurants essen gehen werden. Die Probleme, die Events dieser Größte mit sich bringen, liegen auf der Hand. In einer vom Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie „klimaneutrale UEFA EURO 2024“ wird dem Turnier eine Vorab-Klimabilanz ausgestellt. Fazit: Rund 490.000 t CO2-Äquivialent wird die Europameisterschaft demnach ausstoßen.

Viel, aber immer noch kein Vergleich zu den kürzeren, aber internationaleren olympischen Spielen. Aufgrund längerer Anreisewege, mehr Teilnehmer:innen und Veranstaltungsorte rechnen die Veranstalter mit einem Ausstoß von 1,6 Millionen t CO2-Äquivalent. Was auf den ersten Blick viel wirken mag, relativiert sich jedoch im Vergleich zu den vorherigen Olympischen Spielen. So wurden in London (2012) und Rio (2016) im Durschnitt 3,5 Millionen t CO2-Äquivalente ausgestoßen.  An der drastischen Reduktion des CO2-Ausstoßes sieht man, dass es der Klimaschutz endlich auch auf der Agenda des internationalen Top-Sports geschafft hat.

„Die 0 muss stehen“ – ambitionierte Klimaziele für Olympia 2024

Paris 2024 hat es sich zum Ziel gesetzt, die ersten Olympischen und Paralympischen Spiele mit einer positiven Klimabilanz zu organisieren. Damit greifen die Veranstalter einer IOC-Entscheidung vorweg, wonach ab dem Jahr 2030 alle Olympischen Spiele positiv fürs Klima sein müssen. Erreicht werden soll dieses ambitionierte Ziel durch zwei Maßnahmen: Reduktion und Kompensation.  Den Veranstaltern von 2024 ist zunächst einmal daran gelegen, möglichst viele Emissionen einzusparen. So sind 95 Prozent der Sportstätten bereits vorhanden und die Fans sollen sich vor Ort zu 100 Prozent mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortbewegen. Darüber hinaus verpflichten sich die Organisatoren, alle Emissionen, die nicht vermieden werden können, auszugleichen, indem Projekte zur CO2-Reduktion auf der ganzen Welt unterstützt werden. Zwar kritisieren Umweltgruppen die Aussage, die Olympischen Spiele würden eine „positiven Beitrag“ zum Klima leisten, da Events dieser Größe eine Vielzahl an internationalen Reisen, massive Infrastruktur und eine starke Beanspruchung von Ressourcen mit sich bringen, dennoch zeigen die Bemühungen, dass Nachhaltigkeit inzwischen auch im Sport eine große Rolle spielt.

„Wäre, wäre, Fahrradkette“ – Nachholbedarf im deutschen Sport

Auch im deutschen Profisport wird das Thema immer zentraler. Die deutsche Fußball Liga (DFL), veranstaltete im Juli 2022 erstmalig ein Nachhaltigkeitsforum. Unter dem Motto „Zukunft gestalten“, bot sich Vereinen sowie Politik- und Wirtschaftsvertretern eine Plattform für Austausch und Verbesserungsvorschläge. Wie viel Nachholbedarf bei dem Thema im deutschen Sport dennoch weiterhin besteht, zeigt sich, wenn man sich die Nachhaltigkeitsbemühungen der einzelnen Vereine genauer anschaut. So benennen zwar laut einer ARD-Umfrage 26 der 36 Profivereine einen Nachhaltigkeitsbeauftragten, doch nur wenige Vereine zeigen ein ernsthaftes Interesse, die eigene Klimabilanz zu verbessern. Gerade einmal ein Drittel der Bundesligavereine gab an, dass sie ihren eigenen CO2-Austoß messen würden und lediglich vier der 36 DFL-Vereine hat konkrete CO2-Reduktionsziele formuliert.

Bedenkt man, wie stark sich die Erwartungen der Gesellschaft hinsichtlich Nachhaltigkeit und Purpose verändert haben, verwundert es, dass große Teile des Sports in Deutschland dieses Thema bislang verschlafen zu haben scheint. Gerade in Anbetracht der besonderen gesellschaftlichen Rolle des Sports, ist es insbesondere für die Profis wichtig, ihrer Vorbildfunktion gerecht zu werden.

Neben der sozialen Dimension darf aber auch die wirtschaftliche Bedeutung des Sports nicht außer Acht gelassen werden. Seit 2008 misst das Bundeswirtschaftsministerium in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft in regelmäßigen Abständen die volkswirtschaftliche Relevanz des Sports in Deutschland. Im Jahr 2018 trug der Sport 2,2 Prozent (66,6 Mrd. Euro) zur gesamten Bruttowertschöpfung und 2,6 Prozent zur Beschäftigung in Deutschland bei. Unter anderem diese Zahlen locken seit je her die größten Unternehmen an, im Sport als Sponsoren tätig zu werden. Und auch hier wurde der große Nachholbedarf vieler Sportorganisationen im Bereich Nachhaltigkeit erkannt. Einige der größten Player im Bereich Sportsponsoring haben sich deshalb zusammengeschlossen, um die Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit im Sport anzukurbeln. Mit der Allianz, der Deutsche Telekom, Coca-Cola, der HypoVereinsbank, der Postbank und Daimler-Chrysler (heute Daimler) haben sich 2006 sechs der größten Unternehmen, die in verschiedenen Sportarten von Amateur- bis Profisport als Sponsoren tätig sind, zusammengeschlossen und den S20 – The Sponsors‘ Voice e.V. gegründet, eine Interessengemeinschaft großer im Sportsponsoring aktiver Unternehmen, der heute u.a. Bayer, SAP, Viessmann Adidas und die REWE Group angehören. Diese Interessensgemeinschaft hat 2020 Richtlinien ausgearbeitet, die den Mitgliedern helfen sollen, Sportsponsoring nachhaltig und verantwortungsvoll einzusetzen. Dabei wird Glaubwürdigkeit als zentrale Währung in der Unternehmenskommunikation und somit auch im Sportsponsoring ausgemacht. Für Unternehmen wird es deshalb in Zukunft noch wichtiger sein, dass die Sponsoring-Engagements den eigenen Standards für nachhaltiges Handeln entsprechen, um weiterhin glaubwürdig kommunizieren können. Daraus ergibt sich ein immer stärker werdender Druck auf die Akteure im Sport, ihr gesamtes Handeln nachhaltig auszurichten – auch um attraktiv für Sponsoren zu sein oder zu bleiben.

„Eier, wir brauchen Eier“ – Athleten fordern mehr Klimaschutz im Sport

Doch nicht nur von Sponsorenseite wird Druck auf die Strukturen im Sport ausgeübt. Auch immer mehr Aktive fordern inzwischen stärkere Nachhaltigkeitsbemühungen von ihren Verbänden und Vereinen. Im Februar 2023 wandten sich 150 alpine Skifahrer und Skifahrerinnen in einem offenen Brief an den internationalen Skiverband (FIS). Darin fordern sie unter anderem eine transparente Kommunikation der aktuellen Nachhaltigkeitsinitiativen, die Schaffung einer eigenen Nachhaltigkeitsabteilung und das Bekenntnis, alle Events ab 2035 klimaneutral durchzuführen. Und auch im Fußball gibt es Athleten, die für mehr Nachhaltigkeit kämpfen. So läuft beispielsweise der bei Erstligist Union Berlin unter Vertrag stehende Norweger Morton Thorsby seit Jahren mit der Trikotnummer 2 auf, in Anlehnung an das im Pariser Klimaabkommen festgehaltene 2-Grad-Ziel. Aber auch abseits des Platzes ist Thorsby im Klimaschutz aktiv. Das von ihm gegründete Projekt „Green Bag“ setzt sich beispielsweise für wiederverwendbare Fußballkleidung ein.

Spannende Projekte gibt es aber auch abseits der großen, medienwirksamen Sportarten. Der internationale Unihockey-Verband (IFF) hat bereits 2022 die erste klimaneutrale Unihockey-WM der Geschichte ausgetragen. Dafür wurde schon bei der WM 2018 in Prag der CO2-Austoß gemessen, um diesen bei der WM 2022 als Benchmark nutzen zu können. Ziel war es Ziel, den Ausstoß um 50 Prozent zu reduzieren. Dafür wurde unter anderem die Anreise der Teams optimiert und die Verpflegung der Fans so nachhaltig wie möglich gestaltet.

„Training, Training, Training“ – Wo Sportorganisationen Hilfe in Sachen Nachhaltigkeit erhalten

Die Umsetzung solcher oder ähnlicher Projekte bedeutet gerade für kleinere Vereine und Verbände eine große Herausforderung. Doch die Verantwortlichen stehen bei diesen Herausforderungen nicht alleine dar. So stellt beispielsweise der DOSB eine „Roadmap zur Erstellung von Nachhaltigkeitsstrategien“ und eine dazugehörige Toolbox zur Verfügung, mit deren Hilfe jede Sportorganisation den individuellen Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit festlegen kann.

Auch die 2022 von Weber Shandwicks Schwesteragentur Octagon  in Australien gegründete Agentur No2ndPlace hat sich mehr Nachhaltigkeit im Sport zum Ziel erklärt und sich drauf spezialisiert, den sozialen und nachhaltigen Wandel in und mit der Welt des Sports voranzutreiben. Die Agentur unterstützt Marken, Sportverbänden und NGOs dabei das Bewusstsein für Veränderung zu schärfen und wirksame Maßnahmen und Prozesse im Kampf für mehr Nachhaltigkeit zu ergreifen. Dabei setzen die Berater unter anderem auf die Expertise ehemaliger Olympioniken, um das volle gesellschaftliche Potenzial des Sports zu entfalten. No2ndPlace hat es sich zur Aufgabe gemacht, mithilfe des Sportes Aufmerksamkeit für das Thema Nachhaltigkeit zu schaffen und die verbindende Kraft zu nutzen, um über Grenzen hinweg gemeinsame Lösungen zu schaffen, mit deren Hilfe der soziale Wandel vorangetrieben werden kann.

Aber auch ohne externe Hilfe gibt es für Sportorganisationen Möglichkeiten, nachhaltiger zu handeln. Dabei sollten Vereine und Verbände zunächst versuchen, das Nachhaltigkeitsbewusstsein der eigenen Mitglieder zu stärken und darüber hinaus Richtlinien festlegen, mit deren Hilfe Nachhaltigkeit im Vereinsdenken implementiert werden kann. Schnelle und einfache Tipps, mit denen Sportorganisationen im Alltag für mehr Nachhaltigkeit sorgen können, sind unter anderem:

  1. Für Fahrten zu Auswärtsturnieren oder ähnlichen Veranstaltungen werden Fahrgemeinschaften gegründet oder öffentliche Verkehrsmittel genutzt.
  2. Den Mitgliedern wird kostenlos Leitungswasser zur Verfügung gestellt und alle werden zur Nutzung von wiederverwendbaren Flaschen motiviert.
  3. Die Organisation setzt auf Ökostrom, oder wenn möglich auf Solaranlagen oder andere Möglichkeiten der nachhaltigen Energiegewinnung.
  4. Abfall wird vermieden oder durch recycelbare Alternativen ersetzt, beispielsweise indem Einweggeschirr durch Mehrweg ersetzt wird.
  5. Bei der Anschaffung von Sportbekleidung wird auf faire und nachhaltige Produktionsstandards geachtet und die Reinigung erfolgt möglichst ressourchenschonend
  6. Über die Nachhaltigkeitsbemühungen und Ziele wird über die Social-Media-Kanäle informiert, um die Mitglieder zu aktivieren und zu motivieren.

„Einer für alle, alle für einen“ – Veränderung durch Sport

2015 trafen sich Vertreter aus der ganzen Welt in Paris, um das bis heutige wichtigste Abkommen im Kampf gegen den Klimawandel zu beschließen. Das Erreichen der in diesem Abkommen festgehaltenen Ziele steht auch neun Jahre später noch auf der Kippe und ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Gesellschaft. 2024 treffen sich erneut Menschen aus aller Welt in Paris, dieses Mal um gemeinsam den Sport zu feiern. Olympische Spiele verdeutlichen wie keine andere Veranstaltung die Kraft und das Potenzial des Sports: Menschen zusammenzubringen, unabhängig von Grenzen, Sprache oder politischer Position. Diese Möglichkeit muss der Sport nutzen, um zu einem Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit zu werden. Und deshalb sind alle gefordert, Breiten- wie Profisportler:innen, Verbände und Sponsoren – sie alle müssen ihren Beitrag leisten, denn der Klimawandel ist ein Thema, das alle Menschen betrifft, egal wo sie herkommen, egal an was sie glauben und egal, welchen Sport sie betreiben.