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Jetzt mal Butter bei die Fische – Warum das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wichtiger ist, als viele glauben wollen

Am ersten Januar 2023 trat in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft. Ziel dieses Gesetzes ist, deutsche Unternehmen zur Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards in ihren globalen Lieferketten zu verpflichten. Es zielt darauf ab, Menschenrechtsverletzungen und Umweltauswirkungen in globalen Lieferketten zu minimieren (Bundesregierung, 2023). Generell besagt das Gesetz, dass in Deutschland ansässige Unternehmen, ab einer bestimmten Größe, menschen- und umweltrechtliche Sorgfaltspflichten innerhalb ihrer Lieferketten beachten müssen. Konkret gesagt müssen Unternehmen Kinderarbeit, alle Formen der Sklaverei oder alle sklavenähnlichen Praktiken, Zwangsarbeit und Menschenhandel innerhalb ihrer Lieferketten komplett verhindern. Ebenfalls fordert das Gesetz die Einhaltung zentraler Umweltstandards, die die Sicherheit von Menschen bedrohen, wie beispielsweise des Verbots der Verunreinigung von Trinkwasser.

Kritik am Gesetz hagelt es seitens der Industrie und des Mittelstandes. Diese befürchten eine Überbürokratisierung und -regulierung. Das darf jedoch nicht davon ablenken, was es für ein Menschenleben bedeutet, wenn Lieferketten nicht kontrolliert werden. Umweltschützer hingegen argumentieren, dass das Gesetz nicht weit genug geht.

Warum unser Fischkonsum die Umwelt belastet, und Menschenhandel fördert

Ein Land, das zu den größten Fischexporteuren weltweit gehört, ist Thailand. Die thailändische Fischereiindustrie erwirtschaftet in diesem Jahr rund 5,06 Milliarden Euro (Statista, 2023). Eine Zahl, die zwar positiv für das Wirtschaftswachstum ist, aber nicht nur ökologische, sondern auch menschenrechtliche Folgen mit sich zieht. Dass die Fischerei schlecht für die Umwelt ist, ist vielen bekannt. Den meisten Menschen ist vor allem Überfischung ein Begriff. Neben der Überfischung gefährden auch der Beifang, die Habitatzerstörung und die Meeresverschmutzung zahlreiche Meeresbewohner und deren Lebensraum. Besonders Grundschleppnetze, die über den Meeresboden geschleppt werden, stellen hierbei eine Gefahr für die Meeresfauna dar, weshalb ihr Einsatz in einigen Weltregionen bereits verboten wurde (Greenpeace, 2023). All diese Punkte werden vom deutschen Lieferkettengesetz bislang jedoch nicht abgedeckt, da sie nicht direkt einen Einfluss auf das Wohl von Menschen haben. Dies könnte sich jedoch mit dem europäischen Lieferkettengesetz ändern, welches auch den Schutz der biologischen Vielfalt berücksichtigt.

Die Zwangsarbeit, die in der Fischerei eine große Rolle spielt, findet jedoch bereits im deutschen Lieferkettengesetz Beachtung. Im Zusammenhang mit Menschenhandel, Zwangsarbeit und Ausbeutung denken viele in erster Linie an Zwangsprostitution oder Minenarbeit. Doch der alltägliche Konsum wird oft außer Acht gelassen. Produkte der Zwangsarbeit finden sich in vielen Aspekten des Alltags wieder, beispielsweise in Schokolade, Kakao oder Kleidung (Mutaqin, 2018). Weltweit leben 50 Millionen Menschen in moderner Sklaverei (International Labor Organization, 2022). Eine Studie von Greenpeace geht davon aus, dass mehrere hunderttausend Kinder und Jugendliche, sowie junge Erwachsene unter menschenunwürdigen Bedingungen in Thailand, Myanmar, Vietnam, Kambodscha, Laos und der chinesischen Yunnan-Provinz in der Fischerei arbeiten. Oft wurden diese Kinder sogar entführt (Greenpeace, 2023).

Um den Weltmarktpreisen zu begegnen und die Gewinne zu maximieren, werden die Arbeitenden meist schlecht bezahlt. Neben den geringen Löhnen, die oft nicht ausgezahlt werden, ist die Arbeit auf den Fischerbooten auch gezeichnet von 24-Stunden-Schichten, mit nur zwei bis drei Stunden Pause, kleiner Wohnraum und Trinkwasserknappheit. Da die Schiffe meist keine moderne Ausstattung haben ist die Arbeit zusätzlich anstrengender (Vandergeest & Marschke, 2021). Die thailändische Fischereiindustrie stützt sich teilweise auf 200.000 ausländische Migranten, die auf Fischerbooten arbeiten und weiteren hunderttausend in den Verarbeitungsbetrieben an Land. Die schlimmsten Misshandlungen dieser Arbeiter finden auf Langstreckenfischereischiffen statt. Viele Fischer sind Rohingya. Sie sind aus ihrer Heimat Myanmar geflohen, um der politischen Verfolgung und dem damit verbundenen Genozid zu entkommen. Menschenhändler nutzen die große Notlage und Schutzlosigkeit aus, um diese Menschen als Sklaven an Fischerboote zu verkaufen (Mutaqin, 2018).  

Worauf Verbraucher:innen achten können

Sklaverei und Menschenhandel in der Fischerei lassen sich nicht nur in Thailand, sondern auch in Russland, Singapur, Kambodscha, den Philippinen und Indonesien beobachten (Yea, 2022). Daher reicht es nicht aus, beim Fischkauf auf die Herkunft zu achten. Produktlabel können eine erste Orientierung bieten. Da die aktuellen Label nicht staatlich kontrolliert und ihre Anforderungen und die Art der Kontrollen für Verbraucher:innen oft nicht nachvollziehbar sind, ist es sinnvoll seinen eigenen Fischkonsum prinzipiell zu überdenken. So sollte Fisch als Delikatesse und nicht als Hauptnahrungsmittel gesehen werden.

Wie kann das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz helfen?

Das LkSG ist für viele noch immer ein rotes Tuch. Trotz der wirtschaftlichen Ängste und einer drohenden Überlastung durch Bürokratisierung, zeigt das Beispiel der Fischerei, wie wichtig es besonders in Zeiten der Krise ist, konstruktiv über ein solches Gesetz zu diskutieren. In diesem konkreten Fall würde eine effektive Umsetzung dafür sorgen, dass in den Fischereien kontrolliert würde, ob Zwangsarbeitende beschäftigt sind. Die Unternehmen würden den Fisch, von ebendiesen Fischereien nicht mehr erwerben dürfen, wodurch Zwangsarbeit nicht mehr wirtschaftlich rentabel wäre. Neben all den Risiken, die das Gesetz mit sich bringt, muss vor allem auch darüber gesprochen werden, welche Chancen es birgt. Menschenhandel und Zwangsarbeit in der Fischerei sind nur ein Beispiel von vielen. Andere Beispiele könnten Kinderarbeit in Mienen für die Produktion von Smartphones sein, oder die Vernachlässigung des Arbeitsschutzes in der Textilherstellung. Als Unternehmen ist es dabei nicht ausreichend, die Verantwortung an die Zulieferer abzuwälzen. Auch der Rückzug aus Lieferketten bietet nur kurzfristig eine Lösung. Das Gesetz zielt vielmehr darauf ab, Verstöße in Lieferketten aufzudecken, um diese gemeinsam mit dem Zulieferer zu adressieren und zu beseitigen. Das Schlagwort ist auch hier, wie so oft: Verantwortung, Daher ist es umso wichtiger, dass Unternehmen ihre Lieferkette ganz genau unter die Lupe nehmen, und sich darüber Gedanken machen, welchen Beitrag sie für eine gerechtere Welt liefern können.

Quellen:

Bundesregierung (2023): Mensch und Umwelt besser geschützt. https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/lieferkettengesetz-1872010 [abgerufen am 01.12.2023]

Buckley, Paul (2014): Myanmar-Thailand Bilateral Cooperation to Combat Trafficking in Persons. In: Trafficking in Human Beings.

Greenpeace (2023): https://www.greenpeace.de/biodiversitaet/meere/fischerei/kinderarbeit-fischerei  [abgerufen am 01.12.2023].

Greenpeace (2023): https://www.greenpeace.de/biodiversitaet/meere/fischerei [abgerufen am 01.12.2023].

IOM UN Migration Thailand (2023): https://thailand.iom.int/news/increasing-arrivals-rohingya-boats-iom-scales-support [abgerufen am 01.12.2023]

Marschke, Melissa; Vandergeest, Peter (2016): Slavery scandals: Unpacking labour challenges and policy responses within the off-shore fisheries sector. In: Marine Policy 68 (Part A), S. 39–46. DOI: 10.1016/j.marpol.2016.02.009.

Marschke, Melissa; Vandergeest, Peter (2021): Beyond slavery scandals: Explaining working conditions among fish workers in Taiwan and Thailand. In: Marine Policy 132.

Mohajan, Haradhan (2018): History of Rakhine State and the Origin of the Rohingya Muslims. Published in: IKAT: The Indonesian Journal of Southeast Asian Studies , Vol. 2, No. 1 (25 July 2018): pp. 19-46.

Molland, Sverre (2019): What Happened to Sex Trafficking? The New Moral Panic of Men, Boys and Fish in the Mekong Region. In: SOJOURN 34 (2), S. 397–424. DOI: 10.1355/sj34-2f.

Mutaqin, Zezen Z. (2018): Modern-day Slavery at Sea: Human Trafficking in the Thai Fishing Industry. In: JEAIL 11 (1), S. 75–76. DOI: 10.14330/jeail.2018.11.1.04.

Statista (2023): https://de.statista.com/outlook/cmo/lebensmittel/fisch-meeresfruechte/frischer-fisch/thailand [abgerufen am 01.12.2023]

Stephens, S. (2017). Show, Don’t Tell: How Thailand Can and Must Make Advancements in the Fight against Human Trafficking in the Thai Fishing Industry. Emory International Law Review, 31(3), 477-[v].

Yea, Sallie (2022): Human Trafficking and Jurisdictional Exceptionalism in the Global Fishing Industry: A Case Study of Singapore. In: Geopolitics 27 (1), S. 238–259. DOI: 10.1080/14650045.2020.1741548.

Kinderarbeit in der Fischerei | Greenpeace

Picture Credit: Samule Sun via Unsplash