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Wahlgeflüster: Die Zukunft des Green Deals

Eine Analyse der (möglichen) Narrative vor und nach der Europawahl 2024 

An diesem Wochenende wird in Europa ein neues EU-Parlament gewählt; die Niederlanden haben bereits gestern ihre Stimmen an den Wahlurnen abgegeben. Aktuelle Hochrechnungen sowie Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass vor allem liberale und links-grüne Parteien Sitze einbüßen werden. Dagegen wird für Parteien aus dem rechten Spektrum ein Zugewinn an parlamentarischen Sitzen vorhergesagt. Wir erwarten, dass das Wahlergebnis zu Veränderungen in politischen Diskussionen, Strategien und Prioritäten führen wird.  

Eine der wichtigsten Prioritäten der aktuellen von der Leyen-Kommission war der sogenannte Green Deal. The Weber Shandwick Collective hat die aktuelle Diskussion des Green Deals analysiert, um herauszufinden, wie die bevorstehende Wahl die Zukunft des Konzeptes beeinflussen kann. Analysegegenstand waren vorherrschende Narrative in sozialen und klassischen Medien zum Green Deal, sowie die Positionierung in Wahlprogrammen und die Kommunikation der wählbaren Parteien. Unterteilt wurde die Analyse in drei Phasen: (1) Hauptamtszeit der aktuellen Kommission, (2) die Wahlkampfphase und (3) der Post-Wahl-Phase bis hin zur neuen Kommission. Mittels der Unterteilung der Phasen ist es möglich Entwicklungen, in den vorherrschenden Narrativen aufzuzeigen und in Kombination mit der öffentlichen Positionierung der Parteien sowie den aktuellen Wahlprognosen, erste mögliche Veränderungen zu prognostizieren 

Der Green Deal im Diskurs 

Der Green Deal ist das Kernstück der EU-Klimapolitik, mit dem Ziel, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Er umfasst Maßnahmen zur Reduktion von CO2-Emissionen, Förderung erneuerbarer Energien und Steigerung der Energieeffizienz. Trotz seiner ambitionierten Ziele stößt der Green Deal auf Widerstand, besonders von Seiten der Wirtschaft und konservativer Parteien. Dennoch bleibt er eine zentrale Säule der EU-Politik und ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigeren Zukunft. Während der Amtszeit der aktuellen Kommission dominierten positive Narrative wie die Stärkung der europäischen Wirtschaft durch den Green Deal und die Förderung von Netto-Null-Technologien.  

Es scheint aktuell jedoch eine thematische Veränderung zu geben. Die wirtschaftliche Position bleibt wichtig, wird aber ausweislich unserer Analyse vor allem durch grüne Innovationen gesichert, die durch den Green Deal gefördert werden. Die Bedeutung der grünen Innovationen und der positive Einfluss auf Europas Wirtschaft ist das am stärksten wachsende Narrativ seit der Amtsphase der aktuellen Kommission und entwickelt sich zum Top-Thema. Gleichzeitig verlieren Narrative, wie die Vermeidung von Müll oder Net-Zero Technologien etwas an Relevanz, was vor allem darin begründet sein dürfte, dass diese in den grünen Innovationen häufig wiederzufinden sind. 

Die Übersicht zu Sentiment und Volumen der Narrative in sozialen und klassischen Medien zeigt: Positive Narrative dominieren die bisherige Diskussion um den Green Deal, doch es gibt auch zahlreiche kritische Stimmen, die unter anderem anführen, der Green Deal schwäche Europas wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und schränke die politischen Handlungsspielräume ein. Darüber hinaus existieren Befürchtungen, der Green Deal vergrößere die Ungleichheit zwischen Branchen, Regionen oder Bürgerinnen und Bürger. Parteien aus dem rechten Spektrum nutzen die Unzufriedenheit über hohe Kosten und strenge Klimavorgaben, um sich gegen den Green Deal zu positionieren. Der Widerstand – auch “Greenlash” genannt – wächst auch innerhalb der europäischen Bevölkerung. Steigende Energiepreise und Lebenshaltungskosten haben viele gegen den Verzicht auf fossile Brennstoffe aufgebracht. Bauern blockierten Straßen aus Protest gegen Umweltreformen. Das Schließen dieser Ungleichheitslücke scheint bei den Parteien, die dem Green Deal positiv gegenüberstehen, angekommen zu sein. Flexible Übergangsstrategien zum Green Deal, die auf eben diese Ungleichheiten ausgerichtet sind und so benachteiligten Akteuren in der Umsetzung der Vorgaben unterstützen sollen, rücken in den Fokus und dürften nach der Wahl weiter an Relevanz gewinnen.  

Das Power-Duo des New Green Deals  

Technologie und Innovation, die beiden Herzstücke des Green Deals bilden gleichzeitig auch die großen Hoffnungsträger im Kampf gegen den Klimawandel. Ob Solar- und Windenergie oder smarte Stromnetze und Künstliche Intelligenz – all das sind die Werkzeuge, die helfen sollen, die Klimaziele zu erreichen und die Energiesysteme zu modernisieren. Natürlich gibt es Herausforderungen: Es braucht große Investitionen und die Überwindung bürokratischer Hürden. Doch technologische Innovation bleibt der Schlüssel, um die EU-Klimaziele zu erreichen und Europas wirtschaftliche Position im globalen Wettbewerb zu stärken.

Die Bauernproteste in ganz Europa haben gezeigt, dass sich Menschen aufgrund spürbarer Ungleichheiten solidarisieren. Daher erscheint es mit Blick auf die Daten ratsam, auch Aspekte der sozialen Nachhaltigkeit mit in den Green Deal einfließen zu lassen, wie es bereits die Narrative zu flexiblen Übergangsstrategien aufzeigen. Gepaart mit den Zielen zu grünen Innovationen, die für wirtschaftlichen und ökologischen Fortschritt in Europa sorgen sollen, zeigt die Analyse, dass nach der Europawahl die Narrative zum Green Deal alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit adressieren werden. 

Nach der Wahl: Neue Chancen für nachhaltige Strategien 

In jedem Fall ist die Europawahl 2024 entscheidend für die Zukunft des Grünen Deals. Unternehmen und Organisationen müssen sich auf Veränderungen einstellen und ihre Strategien anpassen. Die politischen Veränderungen nach der Europawahl bieten neue Chancen, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und gleichzeitig neue Marktchancen zu erschließen. Für unsere Kundinnen und Kunden im Bereich Nachhaltigkeit stellen sich wichtige Fragen: Wie können sie ihre Geschäftsmodelle an die neuen politischen Rahmenbedingungen anpassen? Welche neuen Chancen bieten grüne Innovationen? Wie können soziale Dimensionen stärker mit ökologischen Innovationen verbunden werden? Und wie kann man die Kommunikation so gestalten, dass sie die große Bandbreite wirtschaftlicher und politischer Stakeholder sowie die allgemeine Öffentlichkeit überzeugt?  

Nach der (Europa-)Wahl ist vor der (Bundestags-)Wahl – das politisch-regulative Spielfeld bleibt dynamisch, und entsprechend verändern sich Diskurse und Narrative. Wir freuen uns auf neue Gestaltungsmöglichkeiten und Positionen.

Autor:innen: Sophia Benzmann, Sebastian Tieke