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“Without nature, we are nothing!”

Aktuell läuft die UN-Biodiversitätskonferenz in Montreal. Ziel der zweiwöchigen Verhandlungen ist ein neuer globaler Vertrag zum Schutz der Natur, vergleichbar mit dem Pariser Klimaschutzabkommen. Nach der COP27 darf das Thema mal kurz auf die große Bühne. Aber warum nur kurz? Führende Wissenschaftler:innen schreiben der Konferenz noch eine weitaus größere Bedeutung als der COP27 zu.   

In seiner Eröffnungsrede bringt es UN-Generalsekretär António Guterres auf den Punkt: “Without nature, we are nothing. Nature is our life-support system, and yet humanity seems hellbent on destruction.” Die biologische Vielfalt der Pflanzen- und Tierarten ist unsere Lebensgrundlage. Sie hat essentielle Funktionen im Ökosystem Erde, ohne die wir nicht überleben würden. So sichert sie unsere Nahrungsmittelproduktion, reguliert den Wasserhaushalt und sorgt für saubere Luft. Biodiversität hilft uns, das Klima zu schützen und bewahrt uns vor Naturkatastrophen wie Hochwasser oder Erdrutschen. Intakte Ökosysteme bieten außerdem Heilmittel und Erholung und sind so auch Grundlage für Gesundheit und Wohlergehen. Wird das Gleichgewicht jedoch gestört, kommen großen Mechanismen ins Wanken, was unabsehbare Folgen für die Menschheit haben wird (wohlgemerkt: nicht für die Erde).

Und wer noch mehr ökonomische Fakten braucht: Biodiversität und Ökosystemleistung übersteigen den Wert des weltweiten Bruttosozialprodukts fast um den Faktor 2 und sind damit der größte Wirtschaftssektor weltweit. Mehr als 60% des weltweiten Bruttosozialprodukts ist direkt oder indirekt abhängig von Leistungen der Natur: von sauberem Wasser über Bestäubung von Pflanzen bis hin zum Schutz vor Umweltkatastrophen.

Derzeit verschwinden jedoch die Arten in dramatischem Tempo. Der internationale Expertenrat IPBES schätzt, dass in den nächsten Jahrzehnten rund eine Million von insgesamt acht Millionen Arten aussterben könnten, viele davon bereits in den nächsten Jahrzehnten. Einmal verloren, kann die biologische Vielfalt nicht wiederhergestellt werden. [1][2]

Gründe dafür beinhalten u.a. die Zerschneidung von Lebensräumen, intensive und monokulturelle Landwirtschaft, der immer noch hohe Einsatz von Pestiziden, Überfischung oder auch die fossile Energiegewinnung.

Nur noch 60 Ernten?! Biodiversität als Grundlage für die Ernährung der Welt

Auch für eine produktive und langfristig ertragreiche Landwirtschaft ist die biologische Vielfalt essentiell. Denn nur durch die Vielfalt der Mikroorganismen kann der fruchtbare Humus wiederhergestellt und erhalten bleiben, um uns nährstoffreiche, gesunde Ernten zu bringen. Aber die sind bereits jetzt ein knappes Gut: Schon in 60 Jahren – befürchten Expert:innen der Vereinten Nationen – könnten unsere Felder nichts mehr hergeben. Dabei brauchen wir fruchtbare Erde gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels und dem Hunger der rasant wachsenden Bevölkerung dringender als je zuvor, denn: Eine Umstellung auf eine überwiegend pflanzenbasierte Ernährung ist dafür essentiell.

Und es gibt noch einen Haken am System:  Nach Angaben der FAO[3],  die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, fallen 66 Prozent der gesamten Pflanzenproduktion auf nur neun Nahrungspflanzenarten. Diese Abhängigkeit von einigen wenigen Pflanzen- und Tierarten und der Mangel an genetischen Variationen auf den Feldern der Landwirte machen unser Lebensmittelsystem anfällig für Bedrohungen wie Schädlinge und Krankheiten und gefährdet unsere Ernährungssicherheit.

Auch Dr. Schär, das weltweit führende Unternehmen für glutenfreie und spezielle Ernährung, hat dies erkannt und startete zum 100-jährigen Firmenjubiläum ein einzigartiges Projekt. Das artenreichste Feld aller Zeiten: Field100. Gemeinsam mit dem Forschungszentrum Laimburg und wurden in Kooperation mit Saatgutbanken wie dem Crop Trust, einer internationalen gemeinnützigen Organisation, die sich für den Erhalt der Pflanzenvielfalt einsetzt, im April 2022 in den Südtiroler Alpen 100 verschiedene Anbaukulturen gepflanzt – von wenig Genutzten, über traditionelle Kulturpflanzen, Jahrhundertealten bis hin zu exotischen Sorten. Am Ende des ersten Saatzyklus spendete Dr. Schär das geerntete Saatgut an die Genbank des Forschungszentrums Laimburg, um es für nächste Generationen zu erhalten.  

Damit die Saat jedoch auch weiterhin gut gedeiht, brauchen wir die Ökosystemleistung eines fruchtbaren Humusbodens, der tote Materie in Leben verwandelt und weitere Ernten ermöglicht.

Wir brauchen einen „Paris-Moment“ in Montreal!

Der Verlust von Biodiversität und Ökosystemleistungen verursacht noch weit größere „Unannehmlichkeiten“: Sie vertreibt Menschen aus ihrer Heimat, befeuert Konflikte bis hin zu Bürgerkriegen, bedroht die Sicherung der Welternährung, verursacht Pandemien und treibt den Klimawandel. Dabei bürgt das Thema unermessliche Chancen – ökonomisch, ökologisch und sozial. Biodiversität gehört also aus vielschichtigen Gründen auf die ganz große Bühne – auch wenn gerade keine entsprechende Konferenz stattfindet.

Das offizielle Vorhaben für Montreal ist also das Mindestmaß, was wir brauchen. Professor Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, formuliert es so: “We need a ‘Paris moment’ in Montreal. Only if we protect and regenerate Earth’s nature, can we really protect Earth’s climate.” Bleibt zu hoffen, dass die Teilnehmer:innen diesen Rat befolgen.


[1]https://www.bmuv.de/themen/naturschutz-artenvielfalt/naturschutz-biologische-vielfalt/biologische-vielfalt-international, https://www.derstandard.at/story/2000141526212/neues-abkommen-soll-30-prozent-der-erde-unter-schutz-stellen?ref=instagram, https://www.theguardian.com/environment/2022/dec/08/extractivism-is-destroying-nature-to-tackle-it-cop15-must-go-beyond-simple-targets

[2]State of the World’s plants and fungi. Kew Royal Botanical Gardens. 2020. Accessed January 27, 2022: https://www.kew.org/sites/default/files/2020-09/Kew%20State%20of%20the%20Worlds%20Plants%20and%20Fungi.pdf

[3] FAO, The State of the World’s Biodiversity for Food and Agriculture, 2019:  https://www.fao.org/3/CA3129EN/CA3129EN.pdf