The winner takes it all! Selten war die Aussage so zutreffend und ein Case so dominant wie in Cannes 2017. Der Grand Prix, der höchste Preis pro Segment, ging in drei Kategorien (PR, Glass und Outdoor) an eine Arbeit unserer Kollegen der McCann in New York. Neben den Grand Prix-Auszeichnungen erhielt die Agentur mit dem Titanium Grand Prix auch noch den Superpreis der Superpreise – Grund genug für ein sorgfältiges Studium der Anatomie dieses Geniestreiches, auch um noch besser das Wesen des PR-Löwens zu ergründen: FEARLESS GIRL!
Die Basis-Zutaten
Ein Produkt, das zugleich eine Haltungs- und Richtungsänderung eines Unternehmens transportiert, erhält ein Denkmal an einem der symbolträchtigsten Orte der Welt. Dieser Ort, die Wallstreet in New York, ist nicht nur bildstark, sondern auch medial mit enormer Präsenz ausgestattet. Earned Media verdienen sich hier leichter als an anderen Orten – eine strategische Entscheidung, die auch schon zuvor gut funktioniert hat.
Der Kontext
Der Kunde, die Investmentfirma State Street Global Advisors, wollte anlässlich des Weltfrauentages ein Zeichen setzen und nicht nur die eigenen Bemühungen um Gender Equality unterstreichen, sondern auch einen Fond promoten, der vor allem Werte von Unternehmen mit weiblichen CEOs führt.
Die Verdichtung
Fast alle überragenden Ideen leben von der Einfachheit. Mit dem Spannungsfeld, also der einen Statue des „Fearless Girl“ gegen die weltbekannte andere Statue des Bullen – dem globalen Symbol der Wallstreet –, gelang ein PR-Stunt im klassischen Verständnis. Er ist perfekt gemacht für die gegenwärtige Mediengesellschaft. Die ikonische und symbolische Verdichtung, der sehr männlich kraftvoll-dominanten Figur eine leichte furchtlose Antithese entgegenzustellen, erinnert fast an einen dreidimensionalen Cartoon. Die Figur scheint auch eine Referenz zu einer Degas-Statue im Pariser Musée d’Orsay zu sein – nur jetzt mit Kontext im öffentlichen Raum manifestiert.
Der Erzählrahmen
Das Fearless Girl wurde über Nacht geboren und stand dann am Weltfrauentag 2017 als mediale Sensation an Ort und Stelle. Als User-generated Fundstück genauso wie als Opener für zuvor mit einem Push erreichte Meinungsführermedien, von denen es ja gerade in New York City nicht wenig gibt. In der Art der Aufstellung wurde übrigens auch die Entstehung des Platzhirsches, des Bullen, referenziert – auch er war als Streetart und Guerilla-Stunt 1989 in die Welt gekommen.
Der Diskurs
Während das Fearless Girl selbst mit der sehr prägnanten Erzählung in den ersten Stunden einen großen Aufmerksamkeitsknall erhielt, waren in der vielschichtigen Anlage noch zahlreiche Diskursverlängerungen angelegt. Der Schöpfer des Originals „Charging Bull“, Arturo Di Modica, sieht mit der neuen Statue z.B. den künstlerischen Wert seines Originals verändert; allein dieser „Kampf der Skulpturen“ produzierte eine erhebliche (nächste) Aufmerksamkeitswelle, in die sich dann wieder Kultur und Politik einmischten. Auch für nächste Protestebenen war das Fearless Girl Projektionsfläche – und darf natürlich auch auf der NY-Tourismusagenda jetzt nicht mehr fehlen.
Die Ergebnisse
Der Bürgermeister von New York hat auf Grundlage einer Unterschriftenkampagne der eigentlich temporär geplanten Installation Bleiberecht bis mindestens 2018 ausgesprochen. Der Fond SHE verzeichnetet knapp 400 Prozent mehr Handelsvolumen in den 3 Tagen nach Kampagnenstart. 1 Millarde Twitter- und 500 Millionen Instagram-Impressions sowie mehr als 4.000 Medienclippings in 128 Ländern zeigen, warum der PR-Löwe auch auf der Output-Seite unvermeidbar war – ein beeindruckend vielschichtiges Resultat mit Langzeitwirkung. Der Case hat es bereits nach kürzester Zeit zu einem eigenen Wikipedia-Eintrag geschafft. Das gelingt nicht vielen Kampagnen.
Am Ende konnten viele Cannes-Delegierten den ehemaligen Weber Shandwick- und jetzigen McCann-CEO Harris Diamond auf der McCann-Party als DJ bewundern – großartige Ideen entwickeln ungeahnte Dynamiken: FEARLESS FUN!