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#talknerdytome – Lab-on-a-Chip oder: Können Zellen Platzangst bekommen?

In unserer Blogreihe „Talk Nerdy To Me“ beweist das Tech-Team von Weber Shandwick in regelmäßigen Abständen, wie viel Expertise in ihnen steckt. Automotive, KI, Chatbots, Lidar, Blockchain und Co. sind für unsere Techies schon längst keine Fremdbegriffe mehr, sondern gehören zum alltäglichen Wortschatz. Hier klären sie auf.

 

Bei Laboren denken wir an sterile, geflieste Räume, weiß gekleidete Forscher und zahlreiche teuer aussehende Instrumente. Bei Lab-on-a-Chip (LoC) handelt es sich jedoch nicht um ein Labor mit sehr wenig Platz. Ein Lab-on-a-Chip ist tatsächlich das, was der Wortlaut vermuten lässt: Ein Labor in der Größe eines handlichen Chips. Bitte was? Ihr glaubt, die Entwicklung eines Schrumpfstrahls hättet ihr mitbekommen? Keine Angst, ihr habt nichts verpasst! Denn LoCs können zwar für labordiagnostische Verfahren eingesetzt werden, allerdings befinden sich die Forscher in den weißen Kitteln außerhalb des Chips.

 

Das Labor im Taschenformat …

 

Innerhalb des Chips – ja, wir sprechen hier wirklich von ungefähr handtellergroßen Systemen – befinden sich zahlreiche Mikrokanäle, deren Anordnung sich je nach Einsatzgebiet des Kleinstlabors unterscheidet. In diese Mikrokanäle wiederum können verschiedene Flüssigkeiten eingebracht werden, deswegen handelt es sich bei LoCs auch um sogenannte mikrofluide Systeme.

Mithilfe von LoCs versuchen Wissenschaftler von Bielefeld bis Queensland Labortests zu optimieren, denn: Tests, die auf LoCs durchgeführt werden, sind wesentlich günstiger und zum Teil auch schneller als herkömmliche Testverfahren. In einem Lab-on-a-Chip können je nach Design verschiedenste Prozesse ablaufen, die Forscher zum Beispiel für den Test auf das Coronavirus nutzen.

 

… hilft Forschern unter anderem bei Corona-Tests

 

An dieser Stelle gibt es für alle Interessierten einen Exkurs in Sachen Corona-Tests: Wer das C-Wort nicht mehr hören kann, möge bitte im nächsten Abschnitt weiterlesen. Bei Corona-Tests wird entweder ein Antikörpertest oder ein RT-PCR-Test durchgeführt. Beim RT-PCR-Test (Polymerase-Kettenreaktion) werden die Proben zunächst erwärmt, um vorhandenes Erbgut zu vervielfältigen. Anschließend kennzeichnen sogenannte Biomarker Gensequenzen, die auf SARS-CoV-2 hindeuten. Was das Ganze mit LoCs zu tun hat? Auf einem Lab-on-a-Chip kann der RT-PCR-Test theoretisch schnell und einfach durchgeführt werden. Einem Biotech-Unternehmen aus Singapur namens Veredus Laboratories ist es bereits gelungen, einen solchen Corona-Test im Taschenformat zu entwickeln.

Ihr seht: Ein Lab-on-a-Chip vereint theoretisch unendlich viele Testmöglichkeiten auf kleinstem Raum – je nach Aufbau des Chips und der verwendeten Sensortechnik. Forscher haben beispielsweise bereits Chips für Tests auf resistente Krankenhauskeime oder Legionellen entwickelt.

Eine vernünftige Herangehensweise ist allerdings auch bei LoCs sinnvoll: Da es sich um medizinisches Testgerät handelt, ist es wichtig, dass die Chips gewisse Gütekriterien erfüllen. Zusätzlich sollten die LoCs bei einer erfolgreichen Entwicklung entsprechend vielen Institutionen zugänglich gemacht werden.

 

Organ-on-a-Chip: Ein Zuhause für menschliche Zellen

 

Neben diagnostischen Tests können LoCs auch zu einem Organ-on-a-Chip weiterentwickelt werden. Dabei werden in die Mikrokanäle des Labors menschliche Zellen eingeschleust, die je nach Organ unterschiedliche Funktionen erfüllen. Eine Organnachbildung kann zum Beispiel mit Zellen aus der Lunge oder dem Darm bevölkert werden. Je nach Chipdesign sind dann zum Beispiel bei diesen Lungen- oder Darmchips auch Vakuumkanäle enthalten, die Atembewegungen oder die Peristaltik simulieren können. Neben den Zellen werden zusätzlich Flüssigkeiten eingebracht, die zum Beispiel einen künstlichen Blutfluss erzeugen. Damit erschaffen Forscher ein möglichst originalgetreues System, dass sowohl die biologischen, physikalischen und chemischen Prozesse als auch mechanische Bewegungen eines menschlichen Körpers im Miniaturformat abbildet.

Organ on a chip

Mögliche Layouts eines Organ-on-a-chip (Quelle: TED Talk Geraldine Hamilton)

 

Weshalb Wissenschaftler diesen Aufwand betreiben? Auf dem Weg zu einer Medikamentenzulassung gibt es zahlreiche Hürden zu überwinden. Bevor klinische Studien am Menschen zugelassen werden, müssen Forscher Vorstudien durchführen, die aktuell noch entweder in einer Petrischale ablaufen oder an Tieren durchgeführt werden. Beide Testformen bilden allerdings die Dynamik und Komplexität des menschlichen Körpers nur unzureichend ab, vom ethischen Aspekt ganz zu schweigen. Deswegen kommen Vorstudien oftmals zu anderen Ergebnissen als die nachfolgenden klinischen Versuche am Menschen.

Hier setzt das Organ-on-a-Chip Konzept an: Wenn es gelingt, die Unterschiede zwischen Vorstudien und klinischen Tests zu verringern, können Medikamente schneller und zuverlässiger getestet und zugelassen werden. Außerdem lassen sich Tests nicht mehr nur am Durchschnitts-Studienteilnehmer durchführen – weiblich, weiß und mittelalt – je nach Erbgut der Zellen, sind auch Tests für Kinder oder verschiedene Ethnien möglich. Wir können auch lernen, Krankheiten besser zu verstehen. In die Miniatur-Organe können Forscher neben blutähnlichen Flüssigkeiten auch Bakterien oder Viren einschleusen, die dann Krankheitsverläufe simulieren.

Theoretisch ist es auch möglich, die verschiedenen Chip-Organe zu einem Human-on-a-Chip zu verbinden. Dabei werden die Mikrokanäle miteinander verknüpft. Die Chips tauschen dann untereinander Zellen und künstliche Körperflüssigkeiten aus.

Was nach einem Allheilmittel für drängende Probleme der Gesundheitsforschung klingt, beschäftigt die Wissenschaft schon seit zehn Jahren. Auch wenn immer mehr geforscht wird und die Technologie nicht zuletzt durch Covid-19 ein aktuelles Einsatzgebiet gefunden hat, stecken viele Projekte noch in den Kinderschuhen. Deswegen gilt auch hier: Eile mit Weile – ich jedenfalls bin gespannt, ob die Labore und Organe im Taschenformat unser Gesundheitswesen revolutionieren werden.

 

Du outest dich als Nerd wenn du …

 

… schon einmal von der Idee You-on-a-Chip gehört hast und deinen personalisierten Chip kaum noch erwarten kannst. Mit einer gehörigen Portion Optimismus überbrückst du die Wartezeit bis der Chip mit deinen persönlichen Zellen gefertigt wird – für maßgeschneiderte Medikamenten- und Allergietests.

 


 

#TALKNERDYTOME

Fordere das Technology-Team heraus und schicke uns deinen ultimativen Nerd-Begriff. Wir erklären ihn dann in einem der nächsten Beiträge. Schick einfach eine E-Mail mit deinem Begriff an kontakt@webershandwick.com.

 

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Bild Credits: Banner – University of Pennsylvania